Blaue Länderchefs: "Strache ist nicht mehr zu halten"
„Wahltag ist Zahltag und Dankbarkeit keine politische Kategorie“, sagen Funktionäre am Wahlabend. Was sie damit meinen, wird am blauen Montag offenkundig. Am Tag, an dem die Freiheitlichen aus Tradition eigentlich ihre Türen geschlossen halten, hält sich keiner mehr mit seiner Meinung zurück. Und die ist nach dem Minus von 10 Prozentpunkten und dem Verlust von 21 Mandaten im Nationalrat plötzlich einhellig und eindeutig.
„Wir müssen jetzt Kante zeigen, klare Verhältnisse schaffen“, sagt Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger zum KURIER. Man könne sich nicht als Partei des kleinen Mannes bezeichnen, „und dann gibt ein Funktionär das Geld mit beiden Händen aus“. Eben das wird Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache von den Landeschefs aus Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich und der Steiermark jetzt öffentlich übel genommen. Dass er über ein Spesenkonto (10.000 Euro/Monat) verfügte und Belege womöglich falsch abgerechnet worden seien, sei das eine und Gegenstand von externen und internen Prüfungen. Sie selbst würden allesamt anders und sparsamer haushalten.
Moralisch bedenklich und damit schwerer wiegt für viele der Mietkostenzuschuss über 2500 Euro monatlich, den die Wiener FPÖ Strache über Jahre zugestanden hat – zusätzlich zu seinem Klubobmannsalär (15.182 Euro) und später Vizekanzlergehalt (17.861 Euro). Sogar die eigene Wiener Landesgruppe geht wenige Stunden vor dem Bundesparteivorstand am Dienstagnachmittag auf Distanz zum Ex-Chef.
Konnte sich Strache bis vor wenigen Wochen noch auf einen harten Kern bedingungsloser Unterstützer in der Landespartei verlassen (sie stammen vor allem aus den Flächenbezirken), habe „sich diese Gruppe mittlerweile aufgelöst“, heißt es aus Parteikreisen zum KURIER.
Den Grund dafür liefert Strache sehr oft selbst. Zuletzt auf Facebook, als er am Wahlabend gegenüber einem seiner knapp 50.000 Follower als möglichen Grund für das Wahldebakel nennt: „Ob nicht die Anbiederung an die ÖVP und die fehlende Verteidigung bei den miesen Angriffen gegen meine Person Bürgern missfallen hat!“
Der Bundesparteivorstand muss heute über das politische Schicksal von Heinz-Christian Strache entscheiden, damit die Partei sich „neu aufstellen kann“, wie es heißt.
Der 50-Jährige kann der Entscheidung zuvorkommen und seine Parteimitgliedschaft ruhend stellen. Damit würde er wohl sein Gesicht wahren. Wie auch seine Frau Philippa, die die Reißleine zog und vor der Stimmauszählung wissen ließ, dass sie ihr Mandat nicht annehmen wolle. (Ob sie den Mandatsverzicht unterschrieben hat, war bei Redaktionsschluss offen)
Für möglich halten FP-Funktionäre auch, dass Strache es „darauf anlegt, ausgeschlossen zu werden, um weiter die Märtyrer-Rolle zu spielen.“ Vorarlbergs Chef Christof Bitschi spricht sich für einen Ausschluss aus. Tirol-Chef Abwerzger geht davon aus, „dass Strache nicht mehr zu halten ist.“ Die FPÖ könnte freilich auch von der neuen Möglichkeit der Suspendierung Gebrauch machen. Das gilt aber als unwahrscheinlich.