Ausnahmsweise gute Noten: Österreichische Schulen top im OECD-Vergleich
Von Bernhard Gaul
Auf 548 Seiten legt die OECD eine aktuelle Analyse ihrer jährlich erscheinenden „Bildung auf einen Blick“-Studie dar. Schwerpunkt war diesmal Berufsbildung, die in Österreich mit den HAK, HASCH und HTL traditionell sehr gut gegeben ist.
Österreich, so heißt es in der Studie, verfügt über eines der am stärksten ausgebauten beruflich orientierten Bildungssysteme. Dies zeigt etwa der Anteil der Schüler/innen der Sekundarstufe II, die eine Schule mit Berufsorientierung besuchen. Im OECD-Schnitt sind nur 42 Prozent der Schüler in solch einer Ausbildung, in Österreich stolze 68 Prozent.
Außerdem erzielt Österreich eine überdurchschnittlich hohe Erfolgsquote im berufsbildenden Schulsystem auf der Sekundarstufe II und belegt bei diesem Indikator Platz 3 im OECD Ranking mit 80 Prozent, gegenüber 70 Prozent im OECD-Schnitt.
Ein Problem der OECD-Studie ist zweifellos, dass Staaten mit sehr unterschiedlichen Bildungssystemen verglichen werden, von Chile über Israel, Türkei oder Korea.
Und Östereichs Fokus auf die berufsbildene Ausbildung wird außerdem kritisch gesehen: „Obwohl junge Erwachsene mit einem berufsbildenden Abschluss im Sekundarbereich II als höchster Qualifikation eher in Beschäftigung sind als diejenigen mit einem allgemeinbildenden Abschluss im Sekundarbereich II, sind ihre Beschäftigungsquoten über das Berufsleben hinweg mehr oder weniger konstant, während diese Quoten für Absolventen eines allgemeinbildenden Bildungsgangs des Sekundarbereichs II steigen“, schreibt etwa OECD-Generalsekretär Angel Gurria.
Somit würde der „Beschäftigungsvorteil einer berufsbildenden Qualifikation des Sekundarbereichs II“ gegenüber einer allgemeinbildenden Qualifikation tendenziell im Lauf des Erwerbslebens abnehmen“.
Corona hindert gute Praxis für Berufsbildung
Laut OECD wurden gerade die berufsbildenden Bildungsgänge von der Pandemie am härtesten getroffen: „Berufsbildende Bildungsgänge sind gegenüber den allgemeinbildenden Bildungsgängen doppelt benachteiligt“, heißt es in der Studie. „Erstens bildet der praktische Unterricht sowohl bei schulischen als auch bei kombinierten schulischen und betrieblichen Bildungsgängen einen wichtigen Teil des Lehrplans, der im Fernunterricht schwierig zu vermitteln ist. Einige Fächergruppen, wie Agrarwirtschaft, Gesundheitswesen, Ingenieurwesen, Baugewerbe oder Handwerk erfordern spezielle Ausrüstung, das Lernen in Kleingruppen bei praktischem Anschauungsunterricht und sorgfältige Aufmerksamkeit seitens der Lehrkräfte, um sicherzustellen, dass die Schüler die Vorgaben richtig umsetzen.“
Dazu komme noch, dass in manchen der dualen beruflichen Ausbildungsgänge (z.B. Lehre) der Umfang der betrieblichen Komponente mehr als 60 Prozent der Lernzeit ausmacht. „Die Folgen des Lockdowns für diese Bildungsgänge sind daher schwerwiegender, obwohl sie normalerweise seitens der Unternehmen am stärksten nachgefragt werden und bessere Beschäftigungschancen bieten.“ So hätten etwa Gastronomie- oder Tourismusunternehmen ihren Betrieb zumindest vorübergehend einstellen müssen. „Angesichts einer sich abzeichnenden Wirtschaftskrise kommt auch die Frage auf, ob Betriebe weiterhin Auszubildende aufnehmen werden, wenn sie sich auf ihren betriebswirtschaftlichen Neustart konzentrieren.“
Die Analyse im Detail:
AKADEMIKERQUOTE: 2019 lag der Anteil der Personen mit einem tertiären Bildungsabschluss an der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren in Österreich bei 34 Prozent (OECD-Schnitt: 39 Prozent). Das entspricht jeweils einem Anstieg von einem Prozentpunkt gegenüber dem Jahr davor. Beim Begriff „Akademikerquote“ ist Vorsicht geboten: In Österreich werden mittlerweile nicht nur Hochschulabschlüsse dazu gezählt, sondern auch bestimmte Schulabschlüsse (BHS-Abschlüsse gelten im internationalen Vergleich als tertiäre Kurzausbildungen, Anm.). Über einen Bachelor-, Master/Diplom bzw. Doktorabschluss verfügen in Österreich dagegen nur 18 Prozent (OECD: 32 Prozent).
AUSGABEN PRO SCHÜLER/STUDENT: In Österreich betrugen diese 2017 von der Volksschule bis zur Hochschule kaufkraftbereinigt pro Kopf durchschnittlich 14.672 US-Dollar. Damit lagen sie weit über dem OECD-Schnitt von 10.103 Dollar. Gleiches gilt auch für die jeweiligen Einzelbereiche Volksschule, Sekundarstufe und - etwas weniger stark - Hochschulen.
BETREUUNGSVERHÄLTNIS: Vergleichsweise weniger Schüler als im OECD-Schnitt kamen 2018 in Österreich in der Volksschule und in der Sekundarstufe auf einen Lehrer: Im Primarbereich (Volksschule) sind es zwölf Schüler (OECD: 15), in der Sekundarstufe neun (OECD: 13).
BILDUNGSAUSGABEN: Österreichs Bildungsausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung lagen 2017 knapp unter dem OECD-Schnitt: In Österreich werden 4,8 Prozent des BIP für Bildungseinrichtungen vom Primar- bis Tertiärbereich verwendet, in der OECD sind es im Schnitt 4,9 Prozent. Gegenüber dem Jahr davor gab es jeweils einen Rückgang um 0,1 Prozent. Der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben (ohne Forschung) an den öffentlichen Gesamtausgaben beträgt in Österreich unverändert 8,8 Prozent und ist damit ebenfalls unter dem OECD-Durchschnitt (9,8 Prozent).
BILDUNGSNIVEAU: In Österreich verfügen 14 Prozent der 25- bis 64-Jährigen höchstens über einen Pflichtschulabschluss (OECD: 22 Prozent). 49 Prozent absolvierten als höchsten Bildungsabschluss die Sekundarstufe 2 (v.a. Lehre, berufsbildende mittlere Schule, AHS-Matura, BHS bis zum 3. Jahr; OECD: 36 Prozent), drei Prozent eine postsekundäre nichttertiäre Ausbildung (z.B. Gesundheits- und Krankenpflegeschulen, bestimmte Uni- oder FH-Lehrgänge; OECD: sechs Prozent). 16 Prozent haben als höchsten Abschluss eine sogenannte kurze tertiäre Ausbildung (v.a. BHS-Matura, ehemalige Pädagogische Akademien; OECD: sieben Prozent), vier Prozent ein Bachelorstudium (OECD: 18 Prozent), 13 Prozent ein Master- oder Diplomstudium (OECD: ebenfalls 13 Prozent) und ein Prozent ein Doktoratstudium (OECD: ebenfalls ein Prozent)
GENDER GAP: Die Einkommen der Frauen hinken sowohl in Österreich als auch in der OECD hinterher: Sie verdienen unabhängig von der Bildungsstufe weniger. In Österreich erhält etwa eine 35- bis 44-jährige Frau mit Tertiärabschluss 74 Prozent dessen, was ein Mann mit gleichem Alter und Bildungsabschluss verdient (OECD-Mittel: 77 Prozent). Am größten sind die Einkommensunterschiede im Hochschulbereich, tendenziell am geringsten im Bereich der Lehre bzw. Maturanten als höchstem Abschluss.
HOCHSCHULABSCHLUSSQUOTE: In Österreich verfügen bereits 42 Prozent der 25- bis 34-Jährigen über einen Abschluss im Tertiärbereich (v.a. Hochschulen plus BHS). Das liegt knapp unter dem OECD-Schnitt (45 Prozent). Seit 2009 ist dieser Anteil sowohl in Österreich (33 Prozent) als auch in der OECD (36 Prozent) deutlich angestiegen. (A1.2)
INTERNATIONALE STUDENTEN: Mit 17 Prozent wies Österreich 2018 hinter Luxemburg (48 Prozent), Australien (27 Prozent) Neuseeland (20 Prozent), Großbritannien und Schweiz (je 18 Prozent) den sechsthöchsten Anteil internationaler Studenten an den eigenen Hochschulen auf (OECD: sechs Prozent).
KINDERGARTEN: In Österreich besuchen 42 Prozent (OECD: 46 Prozent) der Zweijährigen und 77 Prozent (OECD: 78 Prozent) der Dreijährigen eine frühkindliche Bildungseinrichtung. Bei den Vierjährigen sind 94 Prozent (OECD: 89 Prozent) im Kindergarten, bei den Fünfjährigen 98 Prozent (OECD: 95 Prozent - inklusive Schülern in diesem Alter). Die Ausgaben für die Bildung Drei- bis Fünfjähriger liegt in Österreich mit 0,5 Prozent des BIP knapp unter dem OECD-Schnitt (0,6 Prozent), die Ausgaben für die Unter-Drei-Jährigen mit 0,1 Prozent des BIP deutlich unter dem OECD-Wert (0,3 Prozent).
KLASSENGRÖSSE: 2018 saßen in Österreich im Schnitt in der Volksschule 18 Kinder in einer Klasse (OECD: 21), nur in Costa Rica, Lettland, Litauen und Griechenland waren es weniger. Im Sekundarbereich I (AHS-Unterstufe, Mittelschule) lag die durchschnittliche Klassengröße bei 21 Schülern (OECD: 23), damit liegt Österreich im vorderen Mittelfeld. Seit 2005 haben die Klassengrößen abgenommen.
LEHRERALTER: Österreich hat im OECD-Vergleich relativ alte Lehrer. Im Volksschulbereich sind in Österreich 36 Prozent aller Pädagogen 50 Jahre oder älter, in der OECD sind es 32 Prozent. Am höchsten fällt der Unterschied im Sekundarbereich I aus: In der AHS-Unterstufe bzw. Mittelschule sind in Österreich 47 Prozent der Lehrer mindestens 50 Jahre (OECD: 36 Prozent), an den Oberstufenschulen (Sekundarbereich II) kommt Österreich auf einen Anteil von 47 Prozent (OECD: 39 Prozent). Aber: Im Vergleich zu den Vorjahren ist der Anteil der Lehrer über 50 in Österreich geschrumpft.
LEHRERGEHÄLTER: Pädagogen verdienen in Österreich zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere und in allen Schultypen mehr als im OECD-Schnitt. Lag 2019 bei Volksschullehrern schon das Einstiegsgehalt mit rund 45.000 US-Dollar (kaufkraftbereinigt) pro Jahr über dem OECD-Schnitt (33.900), ist der Abstand beim Höchstgehalt mit rund 79.200 US-Dollar noch größer (OECD: 56.500). Ähnlich verhält es sich in der Sekundarstufe I (Ö: rund 44.500 Start-, rund 84.500 Endgehalt; OECD: 35.100 bzw. 59.200) und der AHS-Oberstufe (Ö: 43.700 bzw. 90.100 US-Dollar; OECD: 36.800 bzw. 61.700 US-Dollar). Im Vergleich zu anderen Hochschulabsolventen in ihrem Land stehen Lehrer in Österreich dagegen etwas schlechter da: So verdient ein Lehrer in der Volksschule 74 Prozent vom durchschnittlichen Akademiker-Gehalt, in der Sekundarstufe I sind es 84 und in der AHS-Oberstufe 95 Prozent (OECD: 85 bzw. 89 und 94 Prozent).
PRIVATE BILDUNGSAUSGABEN: Der Anteil der privaten Ausgaben für Bildungseinrichtungen liegt in Österreich bei lediglich sechs Prozent (OECD: 16 Prozent). Dies ist vor allem auf den Hochschulsektor und das Fehlen von Studiengebühren zurückzuführen: 2017 betrug der Privatanteil im Tertiärbereich in Österreich neun Prozent, in der OECD dagegen 29 Prozent.
STUDIENANFÄNGERQUOTE: 2018 haben in Österreich 58 Prozent der Unter-25-Jährigen eine Erst-Ausbildung im Tertiärbereich (wozu in Österreich allerdings auch die BHS-Matura gehört, Anm.; OECD: 54 Prozent) begonnen gehabt. Ohne internationale Studierende würde dieser Prozentsatz allerdings nur 48 Prozent betragen (OECD: 49 Prozent).
UNTERRICHTSZEIT - LEHRER: Volksschullehrer müssen in Österreich (792 Stunden pro Jahr) geringfügig mehr unterrichten als im OECD-Schnitt (778 Stunden). Im Sekundarbereich 1 stehen dagegen die österreichischen Lehrer jährlich fast 100 Stunden kürzer in der Klasse (Ö: 617, OECD: 712), in der AHS-Oberstufe sind es rund 80 Stunden (Ö: 598, OECD: 680). Die Zahl der Unterrichtstage liegt in Österreich mit 183 in allen Schulformen praktisch im OECD-Schnitt, die (allerdings nur für Pflichtschullehrer definierte) Jahresarbeitszeit indes darüber (Ö: 1.776; OECD: 1.549 für Volksschule, 1.563 für Sekundarstufe I).
UNTERRICHTSZEIT-SCHÜLER: Auch die haben im Volksschulbereich vergleichsweise wenig Unterricht: Sie kommen pro Jahr im Schnitt auf 705 Pflicht-Stunden (OECD: 804). Den höchsten Wert verzeichnet hier Costa Rica (1.147). Im Bereich der Sekundarstufe 1 (AHS-Unterstufe, Mittelschule) liegt Österreich dagegen mit einer durchschnittlichen jährlichen Unterrichtszeit von 900 Stunden nur knapp unter dem OECD-Schnitt (922). An der Spitze befinden sich hier Dänemark und Kolumbien (je 1.200 Stunden).