Zwölf Lehren aus der Nationalratswahl
Von Ida Metzger
1. Ein Skandal, eine Woche vor dem Wahlgang, hat doch Auswirkungen
Bis jetzt herrschte der Mythos vor, dass ein Skandal zehn bis 14 Tage braucht, bis er beim Wähler angekommen ist. Der Spesenskandal um Heinz-Christian Strache hat gezeigt, dass es auch anders laufen kann. "Wenn es so etwas Handfestes wie ein Gucci-Tascherl ist, dann kommt das natürlich schneller beim Wähler an", so Politikexperte Thomas Hofer. Für den bekanntesten Politikkommentator des Landes, Peter Filzmaier, war es die Summer aller FPÖ-Skandale, die in der letzten Tagen vor der Wahl nochmals Bewegung in das Wahlverhalten gebracht hat. "Die Käuflichkeit der Politik im größeren Sinne hat eine Rolle gespielt. Aber hier hat die Wahltagsbefragung gezeigt, dass die Wähler dieses Verhalten explizit der FPÖ und Strache zuordnen."
2. Der Mythos "Wer Neuwahlen ausruft, verliert die Wahl" ist widerlegt
Auch ein Mythos, der sich hartnäckig hält, aber nicht belegt werden kann. Sebastian Kurz hat nun schon zum zweiten Mal Neuwahlen ausgerufen und jedes Mal ging er als fulminanter Sieger aus dieser Wahl hervor. Auch 2002 hatte Wolfgang Schüssel die Koalition aufgekündigt und am Wahlsonntag war er der große Sieger mit 42 Prozent.
3. Klima ist der Wahlgewinner
Das Klimathema hat Grün genutzt und den Zauderern, auch in der SPÖ, geschadet.
4. Alle zwei Jahre wählen
Wenn alle zwei Jahre gewählt wird, dann gewinnt zumindest die Kanzlerpartei dazu.
5. Kurz war das stärkste Wahlmotiv
Der Fokus auf die Spitzenkandidaten wird immer stärker. Sebastian Kurz rangiert mit 31 Prozent an der Spitze der fünf wichtigsten Wahlmotive. Zum Vergleich: Bei der SPÖ scheint Frontfrau Pamela Rendi-Wagner gar nicht mehr unter den fünf wichtigsten Wahlmotiven auf. Und Sebastian Kurz zieht bei den weiblichen Wählern: 41 Prozent der wahlberechtigten Frauen wählten die ÖVP.
6. Keiner kann Wahlkampf so gut wie die ÖVP - auch mit weniger Budget
Beim Wahlkampf 2017 überschritt die ÖVP die Wahlkampfkostengrenze von sieben Millionen Euro deutlich. 13 Millionen Euro pfefferte die ÖVP damals in die Wahlkampf. Dieses Mal musste sich die ÖVP strikt an die Obergrenze von sieben Millionen halten, drohen doch hohe Strafen. Je nach Höhe der Überschreitung betragen die Strafen jetzt bis zu 150 Prozent der Überschreitung. Trotz der geringeren Mittel erzielte Kurz ein historisches Ergebnis mit einem Abstand von 15,6 Prozent zur SPÖ. "Der Wahlkampfmaschinerie der ÖVP haben die anderen Parteien nichts entgegen zu setzen. Sie haben es perfektioniert, über diverse Kanäle eine Masse an Wählern zu erreichen", sagt Polit-Berater Thomas Hofer.
7. Wahlkampf der Skandale
Schreddern, Hacken, Spesen-Skandal - der Wahlkampf begann vom Anfang bis zum Ende wie kein anderer von Skandalen überlagert. Sachthemen mit Ausnahme des Klimawandels spielten kaum eine Rolle.
8. Hans-Peter Doskozil ist keine Alternative für die SPÖ
Nicht nur weil er derzeit gesundheitlich angeschlagen ist, sondern Burgenlands Landeshauptmann Doskozil fuhr nach der EU-Wahl die nächste Niederlage ein. Seit 1966 ist die SPÖ nicht mehr stimmenstärkste Partei bei Nationalratswahlen. Die Volkspartei, 2017 mit 32,8 Prozent noch knapp hinter der SPÖ, erreichte diesmal 38,5 Prozent und überholte damit die Sozialdemokraten, die auf 29,7 Prozent kamen.
9. SPÖ hat ein massives Problem
Nur mehr bei den Pensionisten kommt die SPÖ auf über 30 Prozent und fuhr ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Bei den unter 30-Jährigen wählen nur mehr 19 Prozent die Sozialdemokratie. "Die SPÖ muss sich endlich von dem Denkfehler lösen, dass sie automatisch beliebter wird, wenn die FPÖ einen Skandal hat", so Filzmaier.
10. Auch in der Politik gibt es Comebacks
Werner Kogler hat es selbst angekündigt: "Es soll das größte Comeback seit Lazarus werden". Ein Satz, der anfangs nur als Motivation dienen sollte, wurde Realität. Vom Tiefststand 2017 zum Höchststand 2019 mit 14 Prozent. "Es ist das erste Comeback, das in der Politik geschafft wurde. Ich werde noch brauchen, um das zu realisieren", so Kogler in der Wahlnacht.
11. Das liberale Potenzial ist ausgeschöpft
Die Neos schafften trotz eines Wahlkampfs ohne Fehler nicht einmal acht Prozent. Ihr Großspender Hans-Peter Haselsteiner rechnete mit zehn Prozent.
12. Die TV-Duelle müssen reduziert werden
Vor allem, wenn bei jedem TV-Duell de facto die selben Fragen gestellt werden.