US-Wahlen: Was, wenn Trump das Ergebnis nicht anerkennt?
Trump hat bei Nachfragen von Journalisten mehrfach offengelassen, ob er eine Wahlniederlage akzeptieren würde. Außerdem hat er auf Twitter mehrmals von einer möglicherweise gefäschten Wahl ("rigged election") geschrieben.
Die Sorge, nicht nur bei den US-Demokraten: Was, wenn der US-Präsident das Wahlergebnis nicht anerkennt?
Es gibt in der jüngeren US-Geschichte kein Vorbild für ein Szenario, in dem ein Amtsinhaber sich weigerte, seine Niederlage einzuräumen. Auch die Rechtslage ist auf einen solchen Fall nicht vorbereitet.
Sollte es dazu kommen, dürfte sich die Spaltung des Landes in gegnerische politische Lager gefährlich zuspitzen. Es gibt für diesen Fall viele mögliche Szenarien - allesamt sind natürlich spekulativ.
Szenario eins:
Trumps Wahlkampfteam wehrt sich in einem oder mehreren Bundesstaaten mit Klagen gegen eine Niederlage und verlangt eine Neuauszählung der Stimmen. Trump würde mit Blick auf die Briefwahl wohl von massivem Wahlbetrug sprechen, ungeachtet des Wahrheitsgehalts einer solchen Behauptung. Trump kündigt Wochen nach der Wahl an, dass er das Weiße Haus im Jänner verlassen wird - seine Vorwürfe über den angeblichen Wahlbetrug wird er aber weiter äußern.
Szenario zwei:
Trumps Kampagne geht juristisch erfolglos gegen das Ergebnis vor. Der Präsident weigert sich trotzdem, seine Niederlage einzuräumen. Die Wahlleute stimmen für Biden als neuen Präsidenten, Trump müsste also am 20. Jänner abtreten. Biden hatte im Juni gesagt, er sei "absolut überzeugt", dass das Militär Trump notfalls aus dem Weißen Haus eskortieren würde, falls er sich weigern sollte. Generalstabschef Mark Milley erklärte aber, das Militär werde auch im Fall eines umstrittenen Wahlausgangs keine Rolle spielen.
Szenario drei:
In diesem komplizierten und wohl unwahrscheinlicheren Fall ist die Wahl denkbar knapp für Biden ausgefallen. Jetzt könnte das Ergebnis aus einem Bundesstaat wie Wisconsin oder Michigan, wo die Republikaner das Parlament kontrollieren, entscheidend sein. Das Parlament könnte dort bei der Beglaubigung der Ergebnisse unter dem Vorwand des Wahlbetrugs Trump zum Wahlsieger erklären, auch wenn Biden die meisten Stimmen bekommen hätte. Die demokratischen Gouverneure müssten das Ergebnis aber noch abzeichnen. Sie könnten dann ein anderes Ergebnis nach Washington schicken - Chaos wäre in einer solchen Situation programmiert. Eine ähnlich umstrittene Wahl konnte 1877 nur mit einem politischen Kuhhandel gelöst werden.
Szenario vier:
Biden verliert die Wahl und räumt seine Niederlage ein, Trumps zweite und letzte Amtszeit beginnt am 20. Jänner.
Szenario fünf:
Biden gewinnt mit großem Vorsprung, weswegen Trump seine Niederlage trotz der Bedenken bezüglich der Briefwahl einräumt.
Szenario sechs:
Biden verliert die Wahl knapp, verlangt vereinzelt Neuauszählungen und spricht von Wahlbetrug. Letztlich räumt er seine Niederlage ein, Trumps zweite Amtszeit beginnt am 20. Jänner. Es dürfte jedoch zu Protesten von Demokraten und linken Gruppen kommen.
Szenario sieben: Biden sichert sich - wie auch Clinton 2016 - die meisten Direktstimmen, verliert letztlich aber knapp wegen der Zusammensetzung des Wahlkollegiums. Es dürfte zu Protesten kommen, die wohl auch die Fairness des Wahlsystems infrage stellen würden.
Katastrophenszenario:
Trump verliert, er und das Justizministerium weigern sich aber, das Ergebnis anzuerkennen. Es kommt zu Protesten und Ausschreitungen im ganzen Land. Trump setzt die Nationalgarde ein, er könnte sogar das Kriegsrecht ausrufen ("insurrection act"), um das Militär einsetzen zu können. Es drohen Chaos und Gewalt. So etwas ist in der US-Geschichte noch nicht vorgekommen.