Trump twittert G-7-Gipfel ins Aus
Der Gipfel in Kanada ist lange zu Ende, da holt Donald Trump den Hammer raus. Alle Delegationen sind aus La Malbaie abgereist, die Pressekonferenzen gehalten, mühsam hatten sich die G-7 zu einer gemeinsamen Erklärung durchgerungen - da platzt dem US-Präsidenten in der Air Force One der Kragen. Einmal mehr schreibt Trump mit seinem beispiellosen Eklat Geschichte auf Twitter: Längst auf dem Weg nach Asien, zieht er über den Kurznachrichtendienst stocksauer die Unterstützung des Dokuments zurück. In zwei wuchtigen Tweets gibt der Amerikaner dem Gastgeber des G-7 die Schuld, Kanadas Premier Justin Trudeau.
Mit seinem völlig überraschenden, nachträglichen Ausstieg aus der G-7-Abschlusserklärung spaltet Trump die Gruppe großer Wirtschaftsmächte. Er begründete diesen bisher einmaligen Schritt in der über 40-jährigen G-7-Geschichte mit der Haltung Trudeaus zu US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium. Mit einem dicken Lob für einen "enorm erfolgreichen" Gipfel war Trump voerher aus Kanada abgereist.
Persönliche Attacke auf Trudeau
Trudeau hatte am Samstag in seiner Abschluss-Pressekonferenz gesagt, dass Trump die Strafzöll gegen Kanada mit der Wahrung der amerikanischen Sicherheit begründet, sei "etwas beleidigend". Kanada werde seinerseits reagieren und die USA mit höheren Zöllen belegen. "Das machen wir nicht gerne, aber wir werden es absolut machen. Wir Kanadier sind freundlich und vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumkommandieren."
Damit hatte die Flamme das Ende von bezeichnete Trudeau von seinem Flug nach Singapur aus als "sehr unehrenhaften und schwachen Gastgeber". Er drohte zugleich erneut mit Strafzöllen auf Autoimporte. Zuvor hatte Trump vor der Presse gesagt, er habe "auf einer Skala von 0 bis 10 ein Verhältnis von 10" mit allen anwesenden Staatsleuten, auch wenn man sich nicht immer einig sei. Zudem wiederholte Trump den Vorwurf, dass Europa die USA ausnutze. Die EU sei "brutal" in ihren Haltungen gegenüber seinem Land.
Trump stürzt die Staatengruppe mit seiner Aktion in eine ungewisse Zukunft. Die anderen Partner zeigten sich vorerst unbeirrt. "Wir halten an dem Kommuniqué fest, so wie es von allen Teilnehmern vereinbart wurde", sagte ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk in der Nacht auf Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Auch Deutschland kündigte bereits an, weiter dazu zu stehen.
Die USA und die sechs anderen G-7-Staaten - darunter die wichtigsten westlichen US-Verbündeten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada - hatten sich bei dem Gipfel trotz tief greifender Differenzen in letzter Minute zu der achtseitigen Abschlusserklärung durchgerungen. Trump hatte die Partner aber bereits vorher düpiert, indem er fünf Stunden vor dem Ende des Treffens zu seinem Treffen mit dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong-un nach Singapur abreiste. Dieser mit Spannung erwartete Gipfel findet aber erst am Dienstag statt.
Vieles ungelöst
In der gemeinsamen Abschlusserklärung waren grundlegende Streitpunkte zwischen Trump und den anderen Staats- und Regierungschefs wie zum Beispiel bei Handel und Klimaschutz oder zum iranischen Atomdeal konnten allerdings nicht ausgeräumt werden. Die massiven Differenzen über Sonderzölle der USA auf Stahl- und Aluminiumimporte aus Deutschland und anderen G-7-Staaten wurden in dem Dokument gar nicht erwähnt.
Trudeau hatte den Gipfel vor Trumps Ausstieg angesichts niedriger Erwartungen dennoch prinzipiell als Erfolg gewertet, wenn auch nicht alle Probleme gelöst werden hätten können, habe man eine "anspruchsvolle Abschlusserklärung" ausgehandelt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach von "erkennbaren Meinungsverschiedenheiten" aber zumindest einem "offenen und direkten Verhältnis" mit Trump. Frankreichs Präsident Macron sagte zwar, er glaube nicht an Wunder und Differenzen mit Trump bestünden weiter, er hielt aber zumindest eine "Beruhigung" innerhalb der G-7 für erreicht und sagte: "Der Geist der Kooperation hat gewonnen." Nach dem Trump-Debakel mahnte der Elysee-Palast am Sonntag in einer Erklärung: "Internationale Zusammenarbeit sollte nicht von Wutausbrüchen oder abfälligen Bemerkungen abhängen".
Der nächste Gipfel wurde prinzipiell für 2019 im südwestfranzösischen Biarritz vereinbart.
Trump-Gegner in USA sichern Verbündeten Unterstützung zu
Der republikanische US-Senator und frühere Präsidentschaftskandidat John McCain hat Präsident Donald Trump wegen dessen nachträglichen Ausstiegs aus der G-7-Abschlusserklärung gerügt. "An unsere Verbündeten: die parteiübergreifende Mehrheit der Amerikaner bleibt für freien Handel, für Globalisierung & unterstützt Bündnisse, die auf 70 Jahre lang gemeinsam geteilten Werten basieren", twitterte der 81-Jährige am späten Samstagabend. "Die Amerikaner stehen zu euch, auch wenn es unser Präsident nicht macht", schrieb McCain, der an einem Hirntumor erkrankt ist. Er ist so wie Trump Republikaner.
Putin wettert gegen "Gelaber"
Russlands Präsident Wladimir Putin hat scharfe Kritik an der G-7-Gruppe geübt und ein baldiges bilaterales Treffen mit US-Präsident Donald Trump vorgeschlagen. Die Kritik der G-7 an seinem Land tat er als "kreatives Gelaber" ab, das nun aufhören müsse. Russland war 2014 nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim aus der Staatengruppe ausgeschlossen worden, die damit von der G-8 zur G-7 wurde..
Direkt nach dem Abschluss des G-7-Gipfels hat unterdessen Chinas Präsident Xi Jinping zu mehr globaler Zusammenarbeit aufgerufen. Eine nur auf sich selbst gerichtete und "kurzsichtige Politik der geschlossenen Türen" müsse beendet werden, sagte der chinesische Präsidenten am Sonntag beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in der ostchinesischen Stadt Qingdao.
Sowohl China als auch Russland waren Gegenstand von Gesprächen am G-7-Gipfel.
Die wichtigsten Ergebnisse
Die Gipfel-Erklärung sowie weitere Einzelbeschlüsse aus Sicht gelten etwa der Bundesregierung und der französischen Regierung trotz Trumps Twitter-Eskapade als verabredet - notfalls ohne die USA. Kanzlerin Angela Merkel hatte schon vorher betont, dass man Positionen ohne Trump formulieren könne. In der Präambel definieren sich die G-7-Staaten als demokratische Wertegemeinschaft. Ein Überblick über wichtige Punkte.
HANDEL: Am umstrittensten war das Kapitel Handel, auch wegen der zuvor verhängten US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Trump stimmte einer Passage zu, in der sich die sieben Regierungen zu einem freien, fairen Handel bekannten, von dem alle profitieren sollen - was sich als Hinweis auf den Streit um Exportüberschüsse lesen lässt. Es müsse ein "regel-basiertes" internationales Handelssystem geben, der Kampf gegen Protektionismus solle weiter gehen. Die Welthandelsorganisation WTO soll reformiert werden. Ausdrücklich wird das Ziel formuliert, Zölle, andere Handelshemmnisse und Subventionen zu reduzieren. In einzelnen Punkten wie etwa Stahl werden im wesentlich die Beschlüsse des G-20-Gipfels in Hamburg wiederholt. So wird der Abbau von Stahl-Überkapazitäten in der Welt gefordert, was vor allem auf China zielt. 2019 soll es neue internationale Richtlinien für Exportkredite geben, um eine Verzerrung des Wettbewerbs künftig zu vermeiden.
RUSSLAND UND AUSLÄNDISCHE EINMISCHUNGEN: Russland wird in der Erklärung scharf kritisiert. Die Regierung in Moskau solle ihr "destabilisierendes Verhalten", die Unterminierung von Demokratien sowie die Unterstützung des syrischen Systems aufgeben, heißt es. Zugleich wird Russland für den mutmaßlichen Nervengas-Anschlag im britischen Salisbury verantwortlich gemacht. Die im Ukraine-Russland-Konflikt verhängten Sanktionen sollen erst gelockert werden, wenn es Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine gibt. Dennoch wird der nötige Dialog mit Russland betont. In einer Zusatzerklärung verabreden die G-7-Staaten, gemeinsam gegen die Einmischung in Wahlen von außen vorzugehen. Die von Trump und dem italienischen Regierungschef Giuseppe Conte geforderte Wiederaufnahme Russlands in den G-7-Kreis wird nicht erwähnt.
IRAN: Diese Passage gehört zu denen, um die auf dem Gipfel am längsten gerungen wurde, nachdem die USA das Atomabkommen mit Iran einseitig aufgekündigt hatten. Iran wird aufgefordert, keine Versuche mit ballistischen Raketen mehr zu unternehmen und die destabilisierende Rolle in der Region zu beenden. Hintergrund ist das militärische Engagement in den Bürgerkriegen in Syrien und Jemen. Die G7-Staaten betonen, dass sie "dauerhaft" dafür sorgen wollen, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich ziviler Natur bleibt und das Land keine Atombomben entwickelt. Zudem solle Teheran die Finanzierung von "Terrorismus" beenden. Das Atomabkommen selbst wird nicht erwähnt.
CHINA: Ohne dass das Land beim Namen genannt wird, verurteilen die G-7-Staaten jede unilaterale Aktion im südchinesischen Meer. Es wird eine Demilitarisierung des zwischen mehreren Staaten umstrittenen Seegebiets gefordert. Hintergrund sind chinesische Besetzungen einiger Inseln und die Stationierung von chinesischem Militär.
PLASTIK UND KLIMA: Während sich sechs Staaten ohne die USA zu den Klimazielen des Pariser Abkommens bekennen, wollten nur fünf Länder eine Selbstverpflichtung zur vollständigen Wiederverwertung oder den Ersatz von Plastik etwa bei Verpackungen bis 2030 eingehen. Japan und die USA wollen dabei nicht mitgehen.