Türkei prallt auf Assads Truppen - Friedensappelle bleiben ungehört
Von Armin Arbeiter
Eine militärische Lösung für die Syrien-Krise? Unmöglich! So lautete der einhellige Appell, den die Außenminister Russlands, der Türkei und des Iran Dienstag Abend in Genf formulierten. Im Brennpunkt dieser Krise, im Norden Syriens, blieben sie ungehört. Der Konflikt steuert auf eine Eskalation zu.
Wenige Stunden vor Ende der offiziellen Waffenruhe rückten die zumeist islamistischen Kämpfer der „Syrischen Nationalen Armee“ (SNA), angeblich unterstützt von türkischen Panzern und Artillerie, gegen die strategisch wichtige Stadt Tall Tamr vor. Diese Stadt wird jedoch von Assad-Truppen geschützt.
Gefangene Syrer
Erstmals sollen Soldaten der syrischen Armee und türkische Truppen direkt aneinandergeraten sein. Es gibt auch Bericht über gefangene syrische Soldaten.
„Wenn diese Berichte tatsächlich stimmen, hat das massives Eskalationspotenzial“, sagt der renommierte Analyst Walter Posch vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie. „Nach dem ursprünglichen Plan soll die kurdische YPG (dominiert die „Syrischen Demokratischen Kräfte“) als der klare Verlierer gelten, jede andere Kriegspartei hätte gewonnen.“
Russland, das Dienstagnachmittag vermeldete, dass sich die YPG aus dem Norden Syriens zurückgezogen hätte, ist als einzige internationale Großmacht mit Gewicht in der Region vertreten.
Assad hat seine Truppen an der syrischen Nordgrenze positioniert und damit mehr Einfluss auf den Osten des Landes, der türkische Präsident Erdoğan könnte sich als Regionalmachthaber feiern.
Und – aus seiner Sicht – im besten Fall syrische Flüchtlinge in den von ihm eingenommenen Gebieten ansiedeln. „Ein wichtiges Ziel ist Erdoğan jedoch auch die Kontrolle der strategisch wichtigen Autobahn M4, die durch Tall Tamr führt. Und diese wird derzeit von Assad gehalten“, sagt Posch. „Hält Assad Tall Tamr und damit die Autobahn, könnte Erdoğans Plan danebengehen.“
Aus diesem Grund sei es nicht auszuschließen, dass türkische Panzer die SNA tatsächlich unterstützen. Ankara verstößt damit gegen ein mit Moskau geschlossenes Abkommen. Russland, das in erster Linie Assad unterstützt, jedoch auch ein gutes Verhältnis zur Türkei pflegt, dürfte – sofern die Türkei gegen das Abkommen verstößt – von militärischen Sanktionen absehen. Der wirtschaftliche Druck, den Putin auf Ankara ausüben kann, ist groß genug.
Die 18.000 Krieger der von der Türkei gegründeten Rebellengruppe SNA setzen sich aus verschiedenen Milizen zusammen. Da gibt es Überbleibsel der „Freien Syrischen Armee“, die sich zu Beginn des Bürgerkriegs gebildet hatte und anfangs als gemäßigt galt, sich jedoch zunehmend radikalisierte. Verantwortlich dafür sind islamistische Gruppierungen wie die „Ahrar al-Sham“, die ebenso in großer Zahl an der Seite der Türkei kämpfen.
Patrouillen geplant
Gemäß einer Vereinbarung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mit Putin soll die Türkei die direkte Kontrolle über einen 120 Kilometer langen und 30 Kilometer breiten Grenzabschnitt behalten, den sie bereits erobert hat.