Politik/Ausland

Richter warnen vor Verfassungskrise in Ungarn

Die Mission stand unter keinem guten Stern: "Eine Delegation, bezahlt von Soros, kommt und mischt sich in ungarische Angelegenheiten ein", schrieben ungarische Medien, als sich Vertreter der internationalen Richtervereinigung Ende April auf "Fact Finding Mission" machten.

Gerhard Reissner, früherer Präsident der Organisation mit Mitgliedern aus 90 Ländern weltweit, präsentierte am Montag beim Vortrag "Europa und der Rechtsstaat" im Justizpalast die Ergebnisse. Halb im Scherz schickte er dabei voraus: "Wir haben mit Soros nichts zu tun."

Wovor hat Ungarns Premier Viktor Orbán Angst, dass er seinen Erzfeind George Soros (US-Milliardär und Philantrop ungarischer Herkunft) ins Spiel bringt, um die Aufklärer schon im Vorfeld zu diskreditieren? Eine Frage, die Reissner und zwei seiner Kollegen bei ihrer Mission in Budapest begleitete. Einige Richter und Justizvertreter, die ihnen Auskunft gaben, ließen im Nachhinein ihre Namen aus dem Bericht streichen – offenbar aus Angst vor Repressalien. Der Bericht zeige jedenfalls eine Machtkonzentration auf, die den Rechtsstaat zunehmend aushöhlt, warnt Reissner. Er sieht Ungarn nahe an der Verfassungskrise.

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Im Kern richtet sich die Kritik gegen das 2011 eingerichtete Nationale Amt für Gerichtsbarkeit, geführt von Präsidentin Tünde Handó. Laut ungarischer Verfassung sollte ein Rat aus Richtern das Amt kontrollieren, dieser sei aber de facto ausgeschaltet worden. Präsidentin Handó agiere "völlig unkontrolliert", kritisiert Reissner.

Handó habe sich mehrmals über Empfehlungen des Rates hinweggesetzt, eigenmächtig Richter ernannt und die Zusammenarbeit mit der Standesvertretung aufgekündigt. Im Justizpalast in Wien kam mit Judit Zsófia Oltai, Präsidentin der Richtervereinigung in Ungarn, eine Betroffene zu Wort: Sie kritisierte die "unwürdige Besoldung" ihres Standes. Das Grundgehalt in Ungarn sei eines der niedrigsten in Europa, mit Zulagen scheint man "brave Richter" zu belohnen. Dadurch sei die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr. Sprich: Richter könnten bestechlich werden.

Bierlein: Ungarn unterstützen

Von den berüchtigten "ungarischen Verhältnissen" sei man in Österreich weit entfernt, dennoch müsse man wachsam sein – das sagte mit Brigitte Bierlein eine gewichtige Rednerin. Bierlein war noch in ihrer Funktion als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) eingeladen worden, nun kam sie als ebenso "glückliche Bundeskanzlerin", wie sie kurz zur Erheiterung ihrer Standeskollegen erklärte.

Bierlein sprach sich dafür aus, den Höchstgerichten in Ungarn und Polen den Rücken stärken. Die Entwicklungen in der Justiz und der zunehmende politische Einfluss haben zuletzt die EU-Kommission auf den Plan gerufen, die ein Verfahren wegen der Verletzung von Grundrechten nach Artikel 7 des Lissabon-Vertrags eingeleitet hat.

Die Aussichten beurteilt Bierlein, Kanzlerin und frühere Spitzenjuristin, als bescheiden: Wegen der geltenden Einstimmigkeitsregel sei "eher nicht zu erwarten, dass wirklich eine Suspendierung dieser Staaten erfolgen würde".