Ukraine: Raketenangriffe lösten laut UNHCR keine neue Fluchtbewegung aus
Die derzeit immer wieder heftigen russischen Raketenangriffe haben nach Angaben der Vereinten Nationen keine neue große Fluchtbewegung aus der Ukraine ausgelöst. Das sagte der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Filippo Grandi, der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Kiew. Dass derzeit nicht vermehrt Menschen die Ukraine verließen, sei ihm auch in der benachbarten Republik Moldau bei einem Besuch von den Behörden bestätigt worden.
Wegen des Winters kehrten jedoch weniger Menschen in die Ukraine zurück als vor dem Beginn der russischen Raketenangriffe auf das ukrainische Energiesystem im vergangenen Oktober. "Der Winter ist mit dem Konflikt in einigen Regionen sehr hart", sagte der UNHCR-Chef. Das sei für viele Menschen nicht sehr ermutigend. Insgesamt war der 65-jährige Italiener sechs Tage in der Ukraine und besuchte die Städte Odessa, Mykolajiw, Dnipro, Saporischschja, Charkiw und Poltawa.
Acht Millionen Geflüchtete
Die Vereinten Nationen geben die Zahl der aus der Ukraine geflüchteten Menschen mit knapp acht Millionen an, 92.019 davon fanden in Österreich Zuflucht. Dazu kommen noch etwa 6,5 Millionen Binnenflüchtlinge. "Man kann einen Vergleich mit Bosnien und dem Balkan anstellen, aber die Fluchtbewegung war nicht so groß, obwohl der Konflikt mehrere Jahre andauerte", betonte der UNO-Diplomat.
Lobende Worte fand Grandi für Deutschland, das nach Polen die zweitgrößte Zahl an ukrainischen Flüchtlingen aufgenommen hat. "Das ist natürlich sehr gut organisiert", sagte er. Angaben der deutschen Bundesregierung zufolge sind in Deutschland über eine Million Ukrainer untergekommen. Deutschland sei auch einer der Hauptgeldgeber für das Kommissariat. "Ich denke, dass Deutschland seit dem Beginn des Krieges dem UNHCR mehr als 80 Millionen Euro gegeben hat", sagte Grandi. Die Vereinten Nationen seien dafür sehr dankbar.
Bei einem Wien-Besuch im Vorjahr hatte sich Grandi im Vorjahr ähnlich lobend über Österreich geäußert. Dieses habe seine Zahlungen für das UNHCR erhöht "und zählt heute zu unseren größten Unterstützern", sagte er im APA-Interview. Grandi meinte weiter, dass Österreich "stolz" auf die hohe Zahl an Flüchtlingen sein solle, die es seit dem Jahr 2015 aufgenommen habe.
Russland verletze Prinzipien des Kinderschutzes in Kriegszeiten
Grandi übte bei seinem Kiew-Besuch auch Kritik an Russland. Dieses verletze die Prinzipien des Kinderschutzes in Kriegszeiten, sagte Grandi der Nachrichtenagentur Reuters. "Ihnen die (russische) Staatsangehörigkeit zu geben oder sie zu adoptieren, widerspricht den grundlegenden Prinzipien des Kinderschutzes in Kriegssituationen." Die Flüchtlingsorganisation sei nicht in der Lage, die Zahl der betroffenen Kinder zu schätzen, da der Zugang zu ihnen in Russland extrem eingeschränkt sei.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte dazu vor Journalisten, Grandi habe sich nicht zu den Kindern geäußert, die durch ukrainischen Beschuss im Donbass gestorben seien. Zudem wünsche sie sich, dass "solche Vertreter der Vereinten Nationen die kolossale humanitäre Hilfe zur Kenntnis genommen hätten, die Russland den Bewohnern der Region geleistet hat".