Politik/Ausland

Khashoggi: Grausige Details und wie man damit Politik macht

Vor einem Monat hat der regimekritische saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi das saudische Konsulat in Istanbul betreten und ist dort getötet worden. Das steht zweifelsfrei fest und wird nicht einmal mehr von Riad geleugnet.

Das ist aber auch das einzige, das zweifelsfrei feststeht. Denn was sich in den vergangenen Wochen an scheinbar gesicherten Informationen, gezielten Leaks der Behörden und Spekulationen zum Tod des 59-Jährigen abgespielt hat, spottet jeder Beschreibung – und war in der Geschichte der politischen Kriminalberichterstattung so wohl noch nie da.

Letztstand der Ermittlungen, verkündet von der Istanbuler Staatsanwaltschaft diese Woche: Khashoggi ist sofort nach Betreten des Konsulats am 2. Oktober vorsätzlich erwürgt worden. Seine Leiche wurde zerstückelt und entsorgt, möglicherweise in Säure aufgelöst. Letzteres weiß die Washington Post von einem nicht namentlich genannten türkischen Regierungsvertreter, der sich auf die Ermittler beruft.

Aber was haben diese Ermittler nicht schon alles gesagt und türkischen Zeitungen, meist der regierungsnahen Yeni Safak und Sabah, zugesteckt?

Da ist zuerst ein 15-köpfiges, ein andermal ein 18-köpfiges Todeskommando mit dem Forensiker Al Tubaigy an der Spitze, nach Istanbul gereist, im Gepäck eine Knochensäge. Fotos von der Passkontrolle sollen das dokumentieren.

Dann wurde Jamal Khashoggi im Konsulat, in dem er Papiere für seine Hochzeit holen wollte, verhört und gefoltert. Darüber gebe es – wahlweise – Tonbandaufzeichnungen, Videoaufnahmen, Belege einer Smart-Watch. Türkische Ermittler gingen davon aus, dass Khashoggi die Finger abgeschnitten wurden, ehe er geköpft (vergiftet?) und zerstückelt wurde. Während Letzterem soll der Forensiker Al Tubaigy über Kopfhörer Musik gehört haben.

Der Konsul soll protestiert haben/einen anderen Schauplatz für die Mordprozedur vorgeschlagen haben und selbst bedroht worden sein. Die Leiche des Journalisten wurde vermutlich in irgendeinem Wald bei Istanbul entsorgt, hieß es unter Berufung auf die Ermittlungsbehörden.

Saudi Arabien leugnete derweil die Tat, sprach später von einer „Schlägerei“ im Konsulat mit versehentlicher Todesfolge und gab dann nach abenteuerlichen Verrenkungen die vorsätzliche Umbringung zu und die Verhaftung von 18 Verdächtigen bekannt – Kronprinz Mohammed bin Salman habe damit aber natürlich nichts zu tun.

Am Pranger

Hintergrund der türkischen Kakophonie an gestreuten Viertel- und Halbinformationen dürfte auch das Interesse Ankaras sein, den Regionalkonkurrenten Saudi Arabien permanent am Pranger zu wissen. Nach Wochen täglich neuer Details ergriff ja auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan selbst das Wort und sprach von „geplantem Mord“ und „starken Beweisen“.

Apropos Beweise: Es brauche noch eine „Handvoll mehr Wochen“, ehe die USA genügend Beweise für Sanktionen gegen Saudi Arabien in Händen habe, sagte US-Außenminister Mike Pompeo diese Woche. Selbst wenn man um die US-Interessen in Saudi Arabien weiß, und auch wenn man an saudischer Schuld, wessen immer, nicht eine Sekunde zweifelt: Da ist ausnahmsweise was dran.