Fall Khashoggi: Es wird eng für Prinz Salman
Von Walter Friedl
In das von Lügen und Halbwahrheiten geprägte Verwirrspiel um den regimekritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, der im Konsulat in Istanbul getötet wurde, soll nun Klarheit einziehen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat für Dienstag eine Rede angekündigt, in der er die „nackte Wahrheit“ enthüllen werde.
Der türkische Parlamentsabgeordneten Mithat Sancar spricht von höchster Zeit, das zu tun. Mehr als zwei Wochen habe die Regierung geschwiegen, „wohl um zu sehen, wie die USA und der Rest der Weltöffentlichkeit auf den Fall reagieren“, so der 55-Jährige zum KURIER. Jetzt sehe Erdoğan offenbar eine günstige Gelegenheit, „die saudische Regierung dreckig darstellen zu können“. Hintergrund sei die Rivalität beider Länder um die Vormachtstellung in der Region (die freilich auch der Iran für sich in Anspruch nimmt). Die Türkei werde Zugeständnisse seitens Saudi-Arabiens erwarten.
Vier Anrufe aus Istanbul
In dem Mordfall selbst wird es für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman immer enger. Jetzt berichtet die türkische Zeitung Yeni Safak, dass der Leiter des 15-köpfigen Killerkommandos, das Khashoggi wohl am 2. Oktober ermordet hat, aus Istanbul vier Mal mit dem Büroleiter des Thronanwärters telefoniert habe, mindestens ein Anruf sei aus der saudischen Vertretung in Istanbul erfolgt. Bei dem Kopf des Agententeams handle es sich um Maher Abdulaziz Mutreb, der den Königsspross wiederholt auf Auslandsreisen begleitete.
Bisher hieß es aus Riad immer, der Kronprinz habe mit der Causa nichts zu tun. Allerdings hatte man schon mehrmals offensichtlich die Unwahrheit gesagt. So hieß es zunächst, Jamal Khashoggi habe das Konsulat lebend verlassen. Dann musste man zugeben, dass der Journalist am 2. Oktober versehentlich getötet worden sei. Die jüngste Version: Er sei von einem der entsandten saudischen Agenten in den Schwitzkasten genommen und so wohl erwürgt worden. Wo die Leiche sei, wisse man nicht.
International nimmt den Saudis diese Version kaum jemand ab. Stellvertretend für viele Staaten forderten Berlin, Paris und London dringend Aufklärung. Die Tötung des Journalisten sei „in aller Schärfe“ zu verurteilen.
Deutschland hat wegen der Vorfälle den saudischen Botschafter zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt zitiert. Zudem kündigte Kanzlerin Angela Merkel an, zumindest derzeit keine weiteren Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu genehmigen.