Die Macron-Offensive: Anspruch auf französische Größe
„Sind wir jetzt der Weltpolizist? Wie fühlt sich das für Sie an, außerhalb des Völkerrechts zu agieren?“ Bemüht beherrscht antwortete Emmanuel Macron Sonntag Nacht auf die zugespitzte Journalistenfrage. „Ganz und gar nicht“, wies der französische Staatschef Kritik an den französisch-britisch-amerikanischen Luftschlägen auf Syrien zurück. Das Vorgehen sei koordiniert, präzise, unvermeidlich und „perfekt legitim“ gewesen: Dabei berief sich der Präsident auf eine UN-Resolution aus dem Jahr 2013: Diese rechtfertige den Einsatz von Gewalt, wenn Chemiewaffen eingesetzt würden.
Eigentlich hatte Macron „seinem Volk“, wie er zuweilen sagt, in einem zweieinhalbstündigen Marathoninterview seine teils wütend bestreikten Reformen erklären wollen. Stattdessen stand der junge Staatschef erstmals als Kriegsherr öffentlich Rede und Antwort. Und zwar als einer, der sich als treibende Kraft der Luftschläge gegen Syriens Chemiewaffenindustrie sieht. Er habe US-Präsident Donald Trump davon abgebracht, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen, sagte ein selbstbewusster Macron: „Ich versichere Ihnen, wir haben ihn überzeugt, auf lange Sicht zu bleiben“ – und auch davon, so Macron weiter, „dass diese Angriffe mit chemischen Waffen aufhören müssen.“
„Missverständnis“
Was sich anhört, als hätte der alliierte Luftschlag ohne Frankreichs Drängen vielleicht gar nicht stattgefunden, kam in Washington nicht gut an. „Die US-Mission in Syrien hat sich nicht geändert“, ließ US-Regierungssprecherin Sarah Sanders umgehend ausrichten: „Der Präsident hat sehr klar gemacht, dass er die Truppen so schnell wie möglich nach Hause holen will.“ Im Elysee-Palast reagierte man auf die Zurechtweisung aus den USA schulterzuckend: „Ein Missverständnis“, hieß es lapidar.
Wichtig ist Emmanuel Macron vor allem eine Botschaft: Frankreich ist wieder da – als Staat, als international ernst zunehmender Spieler, als militärische Macht. Aber auch als Teil einer Europäischen Union, die er mit Reformen in Richtung Erneuerung schieben will. Eine EU, wie sie Macron vorschwebt, sie soll militärisch und außenpolitisch nicht länger ein zahnloser Tiger sein, sondern selbstbewusst auf Augenhöhe mit Mächten wie den USA und China agieren.
Wie also weiter vorgehen in Syrien? Die Suche nach einer Lösung ist aus der Logik Macrons heraus ab sofort auch wieder eine europäische und damit auch eine französische Aufgabe. Eine EU-Friedensinitiative soll auf den Weg gebracht werden, darin willigten gestern die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Luxemburg ein. Treibende Kraft dabei: Deutschland und Frankreich. Im Zusammenspiel mit Berlin hofft Macron die bisher so oft versandeten Syrien-Verhandlungen auf eine neue Basis zu stellen.
An Deutschland wird es auch liegen, ob der umtriebige Franzose seine hochfliegenden Erneuerungspläne auch für Europa je umsetzen wird können. Mit Spannung wird heute vor dem versammelten Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg die große programmatische Europa-Rede des französischen Staatschefs erwartet. Stehende Ovationen sind dem brillanten Redner und studierten Philosophen sicher. Mit seinen Appellen für mehr Solidarität innerhalb Europas, mehr Integration in der Eurozone, für mehr Zusammenwachsen stößt er bei vielen EU-Abgeordneten auf offene Ohren.
Bremswind aus Berlin
Doch ausgerechnet vom unerlässlichen Partner Deutschland schlägt dem französischen Präsidenten neuerdings scharfer Bremswind entgegen. Umstritten sind vor allem Macrons Pläne zum Umbau der Währungsunion, wo der Franzose einen europäischen Finanzminister und einen eigenen Haushalt für die Eurozone vorgeschlagen hatte. Für Deutschland hören sich Macrons Visionen eher nach Hochrisiko an: Nach zu viel Macht aus der Hand geben oder gar deutsches Steuergeld für schlechtes Wirtschaften anderswo opfern zu müssen. Ein absolutes No-Go für den neuen sozialdemokratischen Finanzminister Olaf Scholz.
Selbst mit seinem Versuch, eine länderübergreifende Koalition für einen höheren CO₂-Preis auf dem Emissionsmarkt zu bilden, blitzte Macron in Deutschland ab. In Berlin witterte man hinter diesem Vorschlag nur eine Möglichkeit für den staatlich dominierten französischen Energieversorger EDF, seine leeren Kassen aufzufüllen.
Wie man dem französischen Präsidenten in Berlin, aber auch in Brüssel überhaupt gern unterstellt, er handle weniger aus europäischen, denn aus französischen Interessen. „Und das ist ja auch kein Wunder“, schildert ein ehemaliger Diplomat dem KURIER. „In der Bildungs- und Denkelite, aus der Macron kommt, bedeutet Politik immer, alle Macht zentral zusammenzuführen. Und bei dieser Macht soll Frankreich naturgemäß entscheidend mitbestimmen.“