Politik/Ausland

Ursula Pachl: Lobbyistin auf der Seite der Konsumenten

In der Rangliste der verrufensten Berufe stehen in der Vorstellung der meisten Österreicher Lobbyisten ganz weit oben: Bestverdiener, die in irgendwelchen Hinterzimmern mit den Mächtigen der Welt dubiose Deals aushandeln. Exakt das Gegenteil davon ist Ursula , eine profilierte Kämpferin für den Konsumentenschutz in Europa. In einem von allen Seiten einsichtigen, nüchternem Besprechungszimmer in Brüssels Europaviertel sitzend, stellt die stellvertretende Generaldirektorin des Europäischen Verbraucherverbandes BEUC  aber gleich unumwunden klar: „Wir sind eine Lobby-Organisation. Und unser Auftrag ist es, die europäische Politik und  Gesetzgebung im Sinn der europäischen Verbraucher positiv zu beeinflussen.“

Alle Inhalte anzeigen

So wie es etwa beim Gewährleistungsrecht geschah. „Darauf bin ich heute noch stolz“, erzählt die gebürtige Dornbirnerin. Vor zwanzig Jahren, als Pachl mit nur einem Koffer in Brüssel ankam, weil sie ja eigentlich nicht so lange bleiben wollte, da war dies ihr erster Auftrag: Durchzusetzen, dass die kurze, nur sechsmonatige Spanne des Rechts auf Gewährleistung verlängert wird. Heute muss in der EU niemand mehr verzweifeln, wenn der neue Computer sieben Monate nach dem Kauf den Geist aufgibt. Heute haften  Händler zwei Jahre lang für mangelhafte Ware. Und die junge österreichische Juristin hatte Feuer gefangen – für den Verbraucherschutz.

Herausforderung Online-Profiling 

Eine Begeisterung, die Ursula Pachl auch noch heute versprüht, wenn sie über die kommenden Herausforderungen spricht. Wie etwa soll sich ein Konsument dagegen wehren, wenn er online ein Angebot etwa für ein Möbelstück einholt, dem Nachbarn aber dasselbe Stück günstiger offeriert wird? Wenn nur  noch der Algorithmus entscheidet, wer welche Angebote erhält, wenn also aufgrund des onlineprofilings Preispolitik personalisiert wird – und nicht mehr für alle gleich gilt?
 „Die Digitalisierung hat  hier eine riesige Umwälzung in Gang gesetzt“, schildert die 53-Jährige, „dafür braucht  man das richtige Regelwerk.“ Und zwar  auf europäischer Ebene. Denn auf die Anforderungen einer globalisierten Welt mit nationaler Gesetzgebung antworten zu wollen, was derzeit wieder öfter diskutiert wird, „das ist hanebüchen und völlig ungeeignet“. Da wird die sonst souverän-zurückhaltend argumentierende Verbraucherschützerin geradezu emotional.

„Der Verbraucherschutz, das ist eine europäische Erfolgsgeschichte“, beharrt sie. „Schade nur,  dass das so wenig kommuniziert wird. In diesem Bereich kann man spüren: Die EU macht etwas für den Bürger.“ Von der Sicherheit bei Lebensmitteln und Produkten über den regulierten Einsatz von Chemikalien – „bei all diesen Bereichen haben die Europäer den besten Verbraucherschutz weltweit“, weiß Pachl , „nur wissen wir das die Menschen in Europa zuwenig.“
Als Dachverband von 43 europäischen Verbraucherorganisationen hat BEUC in Brüssel bei der politischen Mitsprache einiges Gewicht. Aus Österreich sind der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und die Arbeiterkammer (assoziiertes Mitglied) dabei vertreten. Expertise und Erfahrungen aus  allen Mitgliedsländern werden gesammelt. Pachl und ihr überwiegend junges, aus 45 Mitarbeitern bestehendes Team bringen diese bei Sitzungen, Diskussionen und Entscheidungsprozessen mit den EU-Institutionen ein. „Wir sind mitten im Geschehen“, schildert die Österreicherin nicht ohne Stolz. Manchmal kommen ihr die Fachbegriffe nur auf Englisch über die Lippen, denn die Alltags-und Arbeitssprache hier ist englisch und hin und wieder etwas französisch.

Mühsamer Weg zur Sammelklage

Als Lobbyistin kämpft  die Mutter dreier Kinder im Teenager-Alter für europaweit geltende Gesetze. Diese sollen sicherstellen, dass Verbraucher im Schadensfall zu ihrem Recht kommen. Das kann sich über Jahre, sogar Jahrzehnte hinweg ziehen. Beispiel: Sammelklagen. „Seit 30 Jahren kämpfen wir für eine Verbesserung der Verbrauchersituation bei Massenschäden“, schildert die BEUC-Vize-Generaldirektorin. „Aber die  Angst, wie in den USA würden dann auch hier Milliardenklagen Einzug halten, sorgte bei den europäischen Unternehmen bisher immer für massiven Widerstand.“ 

Alle Inhalte anzeigen

Und dann kam der Diesel-Skandal. „Da hat dann jeder verstanden, dass etwas passieren muss“, schildert Pachl dem KURIER. Im April hat die EU-Kommission schließlich einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. „Ein Meilenstein“, lobt die Verbraucherschützerin. Und bedauert im selben Atemzug, dass ausgerechnet die österreichische EU-Präsidentschaft das Thema Sammelklagen nicht mit mehr Elan vorantreibt. „Das ist ein Dossier von historischer Bedeutung.“ Mehr, von Österreich anberaumte Sitzungen bis Jahresende hätten dafür sorgen können, dass bis vor den EU-Wahlen im Mai ein Deal mit dem EU-Parlament hätte erreicht werden können. So aber dürfte es mindestens bis zum Jahr 2020  dauern, ehe auch in Österreich erste Sammelklagen geschädigter Konsumenten möglich werden.

Laute Töne muss die fast mädchenhaft jung wirkende Juristin nicht anschlagen, um sich Gehör zu verschaffen. Ihr Werkzeug ist die Expertise, ihre Stärke, nahezu jeden Entscheidungsträger in ihrem Arbeitsfeld in Brüssel zu kennen. Denn Lobbyismus – das bedeutet Einfluss nehmen. Persönliche Kontakte sind dafür unerlässlich. 

Kurzer Ausflug ins Kulturmanagement

Pachls Interesse am Verbraucherschutz erwachte schon bei ihrem Job einst im Sozialministerium in Wien. Kurz kamen Zweifel: Nicht doch lieber ins Kulturmanagement wechseln? Doch ein Jahr Praxistest in Paris überzeugte die junge Österreicherin – ihre Welt ist nicht die der Künstler, sondern die des kreativ-konkreten Kampfes für die Bürger.  

Angesichts nie endender Herausforderungen reichen oft auch die 40-Stunden-Arbeitswochen nicht. Klagen, dass zu wenig Zeit für die Kinder und ihren Mann bleibt, würde man von der umgänglichen Vorarlbergerin nie hören. Sie formuliert es so: „Nur wenn einen den Job auch wirklich begeistert, kann man das machen.“