Die deutsche „Ampel“ könnte noch länger auf Rot stehen
Von Caroline Ferstl
Geredet wird schon lange. Zu lange, scheint es den deutschen Grünen. Sie stoppten vergangenen Woche die Vorlage eines Zeitplans der Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP. Der Grund: „Zu wenig inhaltlicher Fortschritt“, kritisierte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Eine Verlängerung der Gespräche ist nicht ausgeschlossen. Auch die Planung, Olaf Scholz (SPD) in der Woche nach dem Nikolaustag zum Kanzler zu wählen, wackelt.
Streitthemen
Laut Grünen spießt es sich vor allem bei ihrem thematischen Steckenpferd, dem Klimaschutz. Die Kritik: Dem Sondierungspapier fehle es an der nötigen Klarheit.
Zur Finanzierung notwendiger Zukunftsinvestitionen in Umweltschutz, Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung hatten die Grünen jährlich zusätzlich 50 Milliarden Euro gefordert. Im Sondierungspapier wurden Investitionen zwar für nötig erklärt, die Höhe aber blieb vage. Genauso wie die Frage, wie das Geld trotz Schuldenbremse aufgebracht werden soll.
Spannungen sind nicht nur zwischen Grünen und FDP zu verzeichnen: Vertreter der Grünen zeigten sich enttäuscht von der SPD. Die im Wahlkampf gemachten Versprechen zu Klimapolitik, Mietrecht und bezahlbarem Wohnraum würden nicht erfüllt. Für die Verzögerung der Verhandlungen verantwortlich ist auch die Postenverteilung: Im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gab es 14 Bundesminister, inklusive Kanzleramtschef. Ob es unter einem Kanzler Olaf Scholz dabei bleibt, hängt davon ab, ob Ministerien neu gebildet, aufgelöst oder fusioniert werden.
Im Gespräch sind „Superministerien“, etwa für Klimaschutz und Digitalisierung. Der bisher im Wirtschaftsministerium angesiedelte Energiebereich könnte beispielsweise ins Umweltministerium gehen.
Knackpunkt Finanzen
Der zentrale Streitpunkt ist aber der Posten des Finanzministers. Den will FDP-Chef Lindner unbedingt, Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat ebenfalls ein Auge darauf geworfen. Die Chancen der FDP dürften aber besser stehen, weil die Grünen auch das Klimaschutzministerium wollen. Beides werden sie wohl kaum bekommen. Doch klar ist auch, dass es zwischen den Parteien eine Abstufung geben muss, die ihren Wahlergebnissen entspricht. Dabei geht es nicht nur um die Zahl der Ministerien, sondern auch um ihre gesamtpolitische Gewichtung. Die Ressorts Finanzen, Inneres und Auswärtiges gelten als deutlich prestigeträchtiger als Entwicklungshilfe oder Familie. Die Grünen gehen davon aus, dass sie vier bis fünf Ministerposten bekommen. Für die FDP dürfte es einer weniger werden.
Alles steht und fällt mit dem Finanzministerium: Erst wenn dessen Besetzung geklärt ist, können alle anderen verteilt werden. Ob die neue Regierung dann in der zweiten Dezemberwoche ihre Arbeit aufnehmen kann, entscheidet sich in den kommenden Tagen.