Deutschland: Verbot umstrittener "Homo-Therapie" soll kommen
„Gott ist stärker, man muss den Teufel weiter anfechten“, haben die Priester zu Bastian Melcher gesagt. Immer und immer wieder. Der junge Mann ist euphorisiert, merkt aber, dass sich nichts verändert. „Nur Enttäuschung, Frust, und Selbstmordgedanken wurden stärker“, erzählt der 29-Jährige dem KURIER.
Melcher stammt aus einer evangelikalen Familie in Bremen, die Mitglied einer Freikirche ist. Er versuchte seine sexuelle Orientierung mithilfe von Seelsorge zu ändern. Was man aus den USA kennt, und wie es zuletzt im Kinofilm „Der verlorene Sohn“ thematisiert wurde, findet auch in Deutschland und Österreich statt.
Als Bastian Melcher mit 14 Jahren entdeckt, dass er schwul ist, schämt er sich und schweigt. Er vertraut sich einem Jugendpfarrer an, der ihm einen Kurs empfiehlt. Dort sind Menschen allen Alters, Alkoholkranke wie Drogensüchtige – „alles wurde vermischt“, so Melcher, bei dem Einzeltherapie und Gottesdienste nichts änderten. „Sie sagen, dass du kein schlechter Mensch bist, aber die Gedanken sind halt schlecht“, erzählt Melcher, der fast verzweifelte, weil er nicht so wird, wie Gott ihn haben will. „Teilweise war es so schlimm, dass ich nicht mehr leben wollte.“
Erste Vorschläge für Verbot
Genau aus diesem Grund hat der deutsche Student Lucas Hawrylak vor einigen Monaten eine Petition gegen Konversionstherapien gestartet. Mehr als 100.000 haben sie online unterzeichnet. Dass der offen schwul lebende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einlenkte und diese verbieten will, sieht er als Zwischenerfolg. Dienstagvormittag präsentierte Spahn die ersten Ergebnisse einer Expertenkommission, die er im April einberufen hat. „Homosexualität ist keine Krankheit und damit nicht behandlungsbedürftig“, stellte der Minister klar - und zwei neue wissenschaftliche Gutachten vor, die zeigen, dass es medizinisch und verfassungsrechtlich möglich sei, solche Angebote zu verbieten.
Gesetze gibt es bereits in mehreren US-Bundesstaaten wie Kalifornien, New York, New Jersey. In Malta wiederum drohen Strafen von bis zu 5.000 Euro oder fünf Monaten Haft für den Versuch, sexuelle Orientierung zu ändern. Für Hawrylak wäre das Gesetz ein wichtiges Signal: „Dass Homosexualität normal ist und man sie nicht aberziehen kann.“
Anders sieht es der evangelikale Bibelbund. Er lehnte Spahns Vorstoß ab, sieht Homosexualität mit Verweis auf die Bibel als durchaus veränderbar. Auf der Website des Instituts für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung (früher Wüstenstrom) heißt es, dass man nicht „an eine angeborene und unflexible sexuelle Orientierung“ glaube. Man betreibe auch keine Konversionstherapie, sondern begleite Menschen in der „Fluidität ihrer Sexualität“.
Paul Haller von der Menschenrechtsinitiative HOSI Salzburg ist davon nicht überzeugt. Ebenso wenig von „christlichen Hardlinern“, die an Schulen Sexualkunde anbieten. Er verweist auf den Verein TeenStar, der schon mehrmals in die Schlagzeilen kam. In internen Schulungsunterlagen wurde Homosexualität als „Identitätsproblem“ bezeichnet und beim Umgang mit homosexuell empfindenden Jugendlichen auf Homepages von evangelikalen, christlichen Gruppen verwiesen, die dazu Seminare anbieten.
Schwere Folgen
Der Weltärztebund sprach sich 2013 gegen Konversionsstrategien aus und machte deutlich, dass Homosexualität keine Krankheit ist. Umpolungsversuche seien nicht nur unwirksam, sie könnten sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Das weiß auch Johannes Wahala. Der Wiener Sexualtherapeut und ehemalige Priester ist immer wieder mit Klienten konfrontiert, meist Männer, die mit ihrer Homosexualität des Glaubens wegen schwer zurechtkommen und Hilfe in diversen Seminaren suchen. Wahala erlebt sie danach oft als schwer verstört. „Manche haben versucht, abstinent zu leben, und sind dann ‚rückfällig’ geworden. Andere leiden an Depressionen, Angst- und Schlafstörungen.“ Zuletzt kam ein 19-Jähriger mit schwerer Paranoia in die Beratungsstelle Courage, die Wahala leitet und ein Verbot der Konversionstherapie fordert. Wie viele Menschen betroffen sind, ist nicht bekannt. Vieles laufe im Verborgenen ab, so der Experte.
Es ist eine Welt für sich, berichtet Bastian Melcher. „Sie meinen es gut, bieten Hilfe an, aber verstehen nicht, was sie damit auslösen.“ Was ihn davon wegbrachte: Die Liebe. Er lernte einen Mann kennen, überwand seine Zerrissenheit und stieg aus der Freikirche aus. Der Ratschlag seines Pfarrers, doch zölibatär zu leben, bekräftigte ihn, eine Entscheidung zu treffen: „Ich bin schwul und lebe jetzt so.“
Was WHO und Fachverbände dazu sagen:
1990 strich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität von der Liste der psychischen Krankheiten. Dort wird ab 2022 auch die „ichdystone Sexualorientierung“ (Wunsch, eine andere sexuelle Ausrichtung zu haben) nicht mehr gelistet.
Fachorganisationen wie die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) oder die American Psychiatric Association/American Psychological Association lehnen Verfahren ab, die sexuelle Orientierung korrigierend beeinflussen. Konversions- bzw. „reparative“ Verfahren sind laut ÖGPP zertifizierte aber auch selbsternannte TherapeutInnen bzw. durch Laien unternommene Versuche, mit dem Ziel, Homosexualität in asexuelles oder in heterosexuelles Verhalten umzuwandeln.