China geht der Nachwuchs aus: Niedrigste Geburtenrate seit 1978
Von Caroline Ferstl
Experten machen unter anderem die Corona-Pandemie verantwortlich: Während in anderen Ländern, etwa in Finnland, der Lockdown als vermeintlicher Grund für einen Babyboom genannt wird, scheinen die Chinesen im vergangenen Jahr enthaltsamer gewesen zu sein: 2020 sanken die Geburten um 18 Prozent auf 12 Millionen, erklärte das Statistikamt am Dienstag in Peking. Nicht zuletzt aufgrund der strengen Isolationspolitik des Regimes wurden zwischenmenschliche Annäherungen beinahe unmöglich gemacht.
Doch besonders die hohen Kosten für Wohnraum, Ausbildung und Gesundheit in China sowie die schwindende Bereitschaft zur Heirat dürften Gründe sein.
Hälfte der Frauen will nicht heiraten
Nur 8,1 Millionen Paare haben 2020 geheiratet, das entspricht einem Rückgang von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In einer Umfrage gab knapp die Hälfte der Frauen an, nicht heiraten zu wollen oder unsicher zu sein, ob sie den Bund der Ehe schließen werden. Bei den Männern war es jeder Vierte.
Gleichzeitig bleibt die Zahl der Todesfälle stabil.
Das Milliardenvolk bewegt sich nach Expertenangaben auf ein Nullwachstum in der Entwicklung der Bevölkerung zu, die den Erwartungen nach in ein paar Jahren dann sogar schrumpfen dürfte. Die fortschreitende Überalterung der Gesellschaft wird China langfristig vor große sozioökonomische Probleme stellen: Zunehmend weniger Werktätige müssen in der zweitgrößten Volkswirtschaft immer mehr alte Leute versorgen.
Rückkehr der Ausgesetzten
Eine möglicher Hoffnungsschimmer: die Rückkehr der ungewollten Mädchen.
Hunderttausende wurden wegen der chinesischen Ein-Kind-Politik zwischen 1980 und 2015 ausgesetzt oder an Adoptiveltern ins Ausland vermittelt. Die Familien hatten lieber einen Sohn, der sich im Alter um sie kümmern sollte, die wenigsten konnten und wollten sich die Strafzahlungen für ein zweites Kind leisten.
In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen beruft man sich auf einen Bericht des amerikanischen Pew Research Center, dem zufolge allein in den Jahren 1999 bis 2016 fast 270.000 chinesische Kinder von ausländischen Eltern adoptiert wurden. Fast ein Drittel von ihnen lebt in den USA. Anfangs waren es zu 98 Prozent Mädchen.
Aus den Mädchen wurden Frauen, viele von ihnen kehren nach China zurück und suchen nach ihrer Herkunft. Bis 2017 veranstaltete der chinesische Staat sogar Gruppenreisen für Adoptierte und ihre Familien, um eine "Brücke zu schlagen zwischen China und der Welt", so der damalige Staatspräsident Jiang Zemin 2002.
Retten wird das China aber nicht: Knapp jeder fünfte Chinese (18,7 Prozent) ist heute schon älter als 60 Jahre. Zugleich geht die Bevölkerungsgruppe im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 59 Jahre weiter zurück. Das Milliardenvolk befindet sich – zumindest bevölkerungstechnisch – am Rückzug.