Boris Johnson: Nicht einmal der Name stimmt
„Just Boris“ heißt eine Biografie über Boris Johnson, den Mann mit den verwuschelten blonden Haaren, der Großbritannien bald ohne Verhandlungen aus der EU verabschieden will. „Es geht ihm immer nur um Boris“, fasst die Autorin Sonia Purnell ihre Recherchen zusammen. Für die Zukunft seines Landes hat er ebenso wenig ein Konzept wie für alle Vorhaben bisher, aber viele Menschen glauben ihm, obwohl er privat und beruflich seit Jahrzehnten beweist, dass er noch verwirrter ist als seine Frisur.
Und es scheint alles an ihm abzuprallen: Wenn die Polizei in das Haus eines Politikers wegen lauter Schreie einer Frau kommen muss, bedeutet das normalerweise das Ende der Karriere. Bei Johnson bringt das riesige Schlagzeilen, aber seine Fans entschuldigen auch das.
Sonia Purnell hat mit rund 200 Personen aus dem Umfeld des Mannes gesprochen, der wohl Parteichef der Konservativen wird und sich anschickt, auch Premierminister zu werden. Nach der Lektüre dieses Buches muss man sich Sorgen machen, um die Briten und um Europa.
Karriere mit Lügen
Nach dem Studium in den Eliteschulen Eton und Oxford kommt er als junger Journalist bald für den Daily Telegraph nach Brüssel. Und schon geht es um – Boris. Wie kann er bekannt werden? Mit Geschichten, die zwar nicht stimmen, aber den Präsidenten der EU-Kommission, Jacques Delors angriffen. Die Kommission sei schuld daran, dass die Italiener zu kleine Kondome erzeugten, sie wolle das mit Asbest verseuchte Berlaymont Gebäude in die Luft sprengen und schließlich die Headline: „Delors will Europa regieren“. Mit solchen Berichten, die bald weit über England hinausgingen, habe er schließlich die Dänen dazu gebracht, gegen den Maastricht Vertrag zu stimmen.
In Brüssel war Johnson noch mit seiner ersten Frau verheiratet, die öfter im Londoner Büro des Telegraph fragen musste, wo denn ihr Mann gerade unterwegs sei. Mit seiner zweiten Frau, der Anwältin Marina Wheeler bekam er dann vier Kinder, der reichte es aber irgendwann mit seinen Seitensprüngen, und dann kommen noch ein oder zwei Kinder dazu. So genau will er das nicht sagen. Das geht nur ihn etwas an? Immerhin war er immer stolz auf seine Eroberungen, ohne Rücksicht auf seine Frau. Da stellen sich normalerweise Fragen nach dem Charakter eines Menschen, nicht bei Boris.
Als er dann Herausgeber des Magazins "The Spectator" war, versprach er den Eigentümern seine volle Arbeitskraft – nur um kurz darauf für einen Sitz im Parlament zu kandidieren. Da verglich er sich gerne mit Winston Churchill, dem legendären Premierminister während es 2. Weltkriegs, der ja auch zeit seines Lebens ein berühmter Autor war. Und als Bürgermeister von London versagte er auch. Im Sommer 2011 wurde bei Unruhen in Tottenham im Norden Londons der 29-jährige Mark Duggan von der Polizei erschossen. Johnson war in Kanada auf Urlaub, zunächst unerreichbar, dann weigerte er sich, früher nach Hause zu kommen, was ihm auch Kritik von Konservativen eintrug.
Die Conclusio der Autorin Sonia Purnell: „ Bei all seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten ist seine größte Leistung die Ansammlung von enorm viel Ruhm.“ Er sollte seine Energie und sein Talent für etwas Sinnvolles nützen.
Das tat er nicht. Weder als Außenminister noch vor der Brexit-Abstimmung. Da erzählte er Lügen von mehreren Hundert Millionen Pfund, die London wöchentlich an die EU überweisen müsse. Dafür wurde er sogar geklagt, das Höchstgericht lehnte die Klage ab.
Das ist also der Mann, mit dem sich die Regierungschefs der EU wahrscheinlich bald zusammensetzenmüssen, um einen Brexit zu diskutieren. Johnson hat bereits einen Notfallshaushalt für den Fall eines Brexit ohne Vertrag angekündigt, das Wachstum in Großbritannien würde dann leiden. Dann wird Johnson seinen Landsleuten erzählen, die EU ist schuld.
Und die Sache mit dem Namen: Johnson wurde als Alexander Boris de Pfeffel Johnson in New York geboren, wo seine Eltern damals lebten. Seine Familie nannte ihn „Al“. Auf der Universität in Oxford fand er es dann schicker, sich Boris zu nennen. Der Aufmerksamkeit hat das genutzt, aber auch ein Al Johnson wäre nicht ehrlicher geworden.