Belgien: Regierungsbildung nach knapp 500 Tagen geglückt
Nach fast zwei Jahren unter einer Übergangsregierung hat Belgien nun einen neuen Ministerpräsidenten - samt Kabinett. Der flämische Liberale und bisherige Finanzminister Alexander De Croo legte am Donnerstag in einer im Fernsehen übertragenen Zeremonie beim belgischen König Philippe den Amtseid ab. Sieben Parteien hatten sich am Mittwoch nach monatelangen Verhandlungen auf die Bildung einer Koalition geeinigt.
Grün, Rot, Orange, Blau
In Belgien regieren künftig die Sozialdemokraten, die Liberalen und die Grünen jeweils in zweifacher Ausführung - flämisch- und französischsprachig - gemeinsam mit den flämischen Christdemokraten. "Vivaldi-Koalition" wird das Bündnis genannt. Der Name nimmt Bezug auf die Farben der beteiligten Parteien: Grün, Rot, Orange und Blau. Sie erinnern an das Werk "Vier Jahreszeiten" des Komponisten. Nicht dabei sind die beiden größten Parteien Flanderns: die national-konservative N-VA und der rechtsradikale Vlaams Belang.
"Nicht meine Regierung"
Die Wahl eines Flamen zum Ministerpräsidenten soll offenkundig einen Ausgleich dafür schaffen, dass sich die neue Koalitionsregierung nur im französischsprachigen Landesteil auf eine Mehrheit der Abgeordneten stützt. In Flandern regt sich dennoch bereits Widerstand: Unter dem Hashtag #nietmijnregering (nicht meine Regierung) machten viele Flamen in den sozialen Netzwerken ihrem Ärger Luft.
Rekord-Interregnum 2011
Belgien ist ein politisch gespaltenes Land und hat den Ruf, unregierbar zu sein. Die Regierungsbildung hatte seit der Parlamentswahl im Mai vergangenen Jahres fast 500 Tage gedauert. Bereits seit Dezember 2018 gab es bereits keine voll geschäftstüchtige Regierung mehr, nachdem die damalige Koalition zerbrochen war. Ein Rekord-Interregnum war es dennoch nicht: 2011 hatte die Regierungsbildung in Belgien 541 Tage gedauert.
Transsexuelle Ministerin
Die scheidende geschäftsführende Ministerpräsidentin Sophie Wilmès bleibt als Außenministerin Teil der Regierung. Ebenfalls an Bord ist die bisherige EU-Abgeordnete der Grünen Petra De Sutter. Sie war nach der Europawahl im Mai 2019 als erste Transsexuelle ins Europaparlament eingezogen. Nun wird sie als erste transsexuelle Ministerin in Belgien für den öffentlichen Dienst zuständig sein.
Von der Angelobung zum EU-Gipfel
Für De Croos Antrittsrede vor den belgischen Abgeordneten am Nachmittag stellte das EU-Parlament seinen Plenarsaal zur Verfügung, damit alle 150 Parlamentarier unter Einhaltung der Abstandsregeln wegen der Corona-Pandemie daran teilnehmen können. Gleich im Anschluss stand für den neuen belgischen Regierungschef wenige hundert Meter entfernt im EU-Ratsgebäude ein Gipfeltreffen mit seinen EU-Kollegen auf dem Programm.