99 Tage bis Brexit: Wie das Rüsten für den Notfall läuft
Bestenfalls eine „Schadensbegrenzung“ – mehr kann die EU nicht entgegenhalten, wenn es am 29. März um Mitternacht zum Schlimmsten kommen sollte. Steigt Großbritannien dann ohne ein geregeltes Scheidungs-Abkommen aus der EU aus, wird mit einem Schlag die gesamte EU-Gesetzgebung ungültig. Damit nicht alles zusammenbricht, präsentierte die EU-Kommission am Mittwoch ihre Notfallpläne. Die könnten zwar die allerschlimmsten Brüche abfedern, doch die Folgen eines harten Brexit wären dennoch gravierend:
Etwa für den Flugverkehr. Dass alle Flugverbindungen britischer Airlines in Europa aufrecht bleiben, ist ausgeschlossen. Nur einige Verbindungen zwischen Großbritannien und der EU sollen in jedem Fall und mittels Sondergenehmigungen intakt bleiben. Und auch das nur, wenn London den EU-Fluglinien die gleichen Rechte einräumt. Auch für den Finanzsektor werden Notregeln vorbereitet: Sie sollen gewährleisten, dass die Finanzströme zwischen Großbritannien und dem Kontinent weiter fließen.
Eine Basisversorgung soll auch im Güterverkehr sichergestellt werden – mit erheblichen Zeitverzögerungen und damit Staus wäre aber trotzdem zu rechnen. „Wir ergreifen Maßnahmen, um Verwerfungen zu begrenzen“, wies EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis gleich alle Hoffnungen zurück, die EU-Notfallpläne könnten die Folgen eines harten Brexit wirklich abfedern. „Die bessere Lösung wäre es“, sagte er an die Adresse Londons, „den Brexit-Deal zu unterzeichnen.“
Die Frage der Bürgerrechte
Für die Lage von 1,5 Millionen britischen Bürgern in den EU-Staaten ist wiederum nicht Brüssel zuständig – es sind die 27 Mitgliedsstaaten. Brüssel aber plädiert für eine „großzügige“ und vor allem einheitliche Regelung, die den Briten legalen Aufenthaltsstatus sichern soll. Die Sozialversicherung, wie etwa der Krankenversicherungsschutz, soll aufrecht bleiben. Auch hier pocht die EU darauf, dass London die gleichen Sicherheiten für die 3,5 Millionen EU-Bürger in Großbritannien gewährt.
Keine Antwort hat man bisher zu Nordirland gefunden. Vollzieht Großbritannien einen harten Brexit – gehen am 30. März automatisch zwischen Nordirland und Irland wieder Grenzen hoch. „Man arbeite an einer Lösung“, heißt es dazu aus der Kommission.
14 Maßnahmen umfasst das EU-Notfallpaket. Dass es nicht größer ausfällt, ist auch eine Botschaft an London: „Unser Notfallplan ist kein Ersatz für das Austrittsabkommen.“ In London waren zuletzt Vermutungen laut geworden, der Notfallplan der EU komme einer Art „gemanagten No-Deal“ gleich.
Im Bundeskanzleramt in Wien will man die Pläne der EU-Kommission im Detail überprüfen, um dann etwaige Lücken zu schließen. Sollte es zu einem harten Brexit kommen, sollen heimische Firmen und Bürger vorbereitet sein. Es geht um mögliche Visumpflicht für österreichische Touristen in Großbritannien, aber natürlich auch in der Gegenrichtung. Sämtliche betroffenen Ministerien sollen die für sie wichtigen Fragen an das Bundeskanzleramt liefern, dort wird unter der Führung von Europaminister Gernot Blümel ein Sammelgesetz gebastelt, das alle Österreich-spezifischen Brexit-Fragen regeln soll.
London auf Sparkurs
Auch die britische Regierung nimmt die Gefahr eines harten Brexit inzwischen so ernst, dass man konkrete Budget-Sparmaßnahmen vorbereitet. Das „No-Deal-Szenario hat Priorität“ erklärte Brexit-Minister Steve Barclay. Vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich werden im Regierungsprogramm versprochene Reformpläne begraben.
Außerdem will sich die Regierung schon in den nächsten Tagen per E-Mail an Unternehmen und Bürger wenden. Die Firmen werden aufgefordert, Notfallpläne zu erstellen, die Haushalte sollen sich Vorräte, etwa an wichtigen Medikamenten zulegen.
Da man bei einem harten Brexit offensichtlich fix mit Chaos rechnet, wurden 3.500 Soldaten mobilisiert. Diese sollen „im Notfall die Regierungsinstitutionen unterstützen“. Laut britischen Medien kalkuliert die Regierung die Möglichkeit von „Unruhen bis zu weitreichendem Aufruhr“ ein.