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Hirnforscher Bernd Hufnagel: Wie das Handy uns süchtig macht und warum das Gift ist

Wie untrennbar sind wir bereits mit unseren Handys verbunden? Neurobiologe und Hirnforscher Bernd Hufnagl im Gespräch.

KURIER: Was halten Sie von dem Ansatz: „Zeig mir Dein Handy und ich sage Dir, wer Du bist?“

Bernd Hufnagl: Man darf diese Modelle der Psychologie, die Verhaltensweisen genau definierten Typen oder Kategorien zuordnen, nicht zu wörtlich nehmen. Interessant ist, dass es bei der Handynutzung stark um ein Suchtthema geht, das auf dem Angst- und Neugiertrieb basiert: Man schaut aufs Handy, weil man Angst hat, etwas zu versäumen oder ein wichtiges eMail zu übersehen. Der Angsttrieb sitzt viel tiefer als kulturell geprägte Persönlichkeitsmerkmale: Wir reden hier von Arealen, die gute 150 Millionen Jahre alt sind. Das steckt uns tief in den Knochen. Aber: Was für Nebenwirkungen hat so eine getriebene Handynutzung? Welche Warnsignale sind zu erkennen?

An welche Nebenwirkungen denken Sie?

Wir können heute im Beruf durch die Digitalisierung vieles, was früher undenkbar war. Sie bietet also eine echte Optimierungsmöglichkeit. Aber sie hat auch massive Nebenwirkungen. Etwa für Menschen mit aktiverem Angstzentrum. Das ist einerseits genetisch bedingt, andererseits erlernt. Sie sind durch die ständige Handynutzung immer unter Spannung, es wird zu viel. Kommt noch ein Hang zu Perfektionismus dazu, kann das in Stress oder sogar einer Überlastungsdepression enden.

Auf das Handy zu verzichten, ist aber – gerade in Homeoffice-Zeiten – auch keine Option?

Der Zug ist schon längst abgefahren. Uns bleibt nur, den hirngerechten Umgang mit dem Smartphone zu lernen. Das Handy bietet ja wirklich tolle Möglichkeiten. Aber um eine recht abgedroschene Phrase zu verwenden: Die Dosis macht das Gift. Wer das Digitale überdosiert, hat ein Problem.

Sie sprechen gar von einer Pandemie der Smartphones. Warum diese Bezeichnung?

Weil es weltumspannend ist – es gibt überall Handys. Was auch sein Gutes hat. Aber man könnte auch von einem Handy-Virus sprechen: Weil wir uns gegenseitig mit unserem Nutzungsverhalten anstecken – in der Familie, unter Freunden und auch am Arbeitsplatz. Denn es wird plötzlich normal, eMails zu checken, während jemand spricht. Und man tut es, weil es der andere ja auch macht.

Sie raten, hirngerecht mit dem Smartphone zu arbeiten. Wie geht das?

Indem wir Rücksicht auf unser biologisches Erbe nehmen. Dieses ist angepasst an ein Milieu, das völlig anders ist, als die heutige Welt. Die Evolution hat nicht mit der permanenten Verfügbarkeit von Informationen und Störungen gerechnet. Hätte es im Wald immer irgendwo geraschelt, dann hätten sich unsere Vorfahren in eine Höhle zurückgezogen. Wir versuchen das auch, aber wir nehmen die Störungen in Form unseres Handys immer mit. Sogar in den Urlaub, sogar an den Strand. Es ist die große Anzahl an Störungen, die uns fertigmacht. Hirngerecht bedeutet, die Störungen zu minimieren. Das funktioniert am einfachsten durch Selbstmanagement, etwa indem ich alle Benachrichtigungen abschalte. Alle. Ein zweiter Faktor: Regeln aufstellen. Etwa, dass man keine eMails während einer Präsentation liest. Second Screening ist ein Riesenproblem. Denn was trainiert man sich damit an? Die Unfähigkeit, genau zuzuhören. Wir können uns heute noch immer Dinge anhören, aber nicht mehr zuhören. Und das ist ein großer Unterschied.

Was bedeutet die Vermischung von Privatem und Beruflichem am Smartphone?

Das birgt Gefahren: Denn es ist so schwierig geworden, mit der Arbeit wirklich abzuschließen. Heute wird alles zu einem, man setzt sich mehrere Hüte gleichzeitig auf. Aber auch dafür sind wir nicht gebaut. Wir müssen unserem Hirn Überblick geben, wir müssen jeden Tag so tun, als ob wir komplett fertig wären mit unserer Arbeit.

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