Wer hat den Ballon geschickt?
Nun also doch kurzer Prozess. Nachdem ein Spionage-Ballon aus China tagelang über die USA dahinschwebte, wurde er gestern vom US-Militär abgeschossen. Stellt sich aber die Frage, warum die Chinesen einen Ballon schicken. Schließlich gibt es Spionagesatelliten.
Angeblich haben Ballons laut Experten einige Vorteile gegenüber anderen Aufklärungsmitteln. Sie können bestimmte Orte über einen längeren Zeitraum besser beobachten als Spionagesatelliten. Die haben in ihrer Erdumlaufbahn nur ein gewisses Zeitfenster, um einen militärisch interessanten Ort zu beobachten.
Ein Versuchsballon?
Mag ja sein. Aber sie können eben auch sehr leicht abgeschossen werden. Möglich also, dass in Peking jemand das US-Militär für besonders dumm hält, weil man dachte, die Amerikaner würden nichts merken. Oder das Ganze war eine Art Versuchsballon, um zu sehen, was so passiert. Interessant wäre auch zu wissen, ob Chinas großer Oberboss Xi Jinping den Flug anordnete oder nicht.
Stellt sich die Frage: Wie geht es nun weiter im chinesisch-amerikanischen Verhältnis? Denn das Verhältnis ist ohnedies angespannt. Wegen Taiwan, wegen Chinas Haltung zu Russland im Ukraine-Krieg und überhaupt wegen der strategischen Konkurrenz beider Großmächte im pazifischen Raum.
Entspannung war geplant
Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden haben beim G-20-Gipfel in Indonesien Ende vergangenen Jahres eigentlich ausgemacht, die Beziehungen mit regelmäßigen bilateralen Treffen zu beruhigen. Dafür sollte jetzt US-Außenminister Blinken China besuchen. Wegen der Ballon-Affäre wurde der Besuch jedoch verschoben – aber nicht abgesagt. Das ist ein wichtiges diplomatisches Signal.
Für Chinas Regierung ist Blinkens Verschiebung freilich ein Rückschlag. Sie erfolgt nach langen Bemühungen chinesischer Beamter, die Beziehungen beider Länder zu verbessern. Peking kämpft mit den Folgen seiner Null-Covid-Politik, die es international stark isoliert hat. Die chinesische Wirtschaft ist geschwächt, hinzu kommt eine Immobilienkrise.
Oder ein Luft-Torpedo?
China braucht ausländische Investitionen. Der Ballon-Vorfall passt da nicht dazu. Hat also jemand in Peking die vorsichtige Annäherungspolitik der vergangenen Wochen torpediert?
Dazu kommt noch etwas anderes. „Dieser Vorfall stärkt definitiv die Karten der Vereinigten Staaten“, sagt etwa Geheimdienstexpertin Heather McMahon gegenüber Politico. „Jedes Mal, wenn eine Spionageaktion offengelegt wird, gibt das der Nation, die Opfer der Aktion wurde, einen Vorteil.“
Angesichts der Peinlichkeit der Affäre für China könnte es den USA nun leichter fallen, Vorteile aus der ganzen Affäre zu ziehen. „Wenn Blinken nun kommen würde, dann wären Xi und die Chinesen sehr beschämt, wären dankbar, dass er kommen würde, und würden das Ganze hinter sich bringen wollen“, ergänzt Danny Russel, China-Experte in Regierung von Barack Obama.
Klingt schlüssig. Fazit: Entweder hat Xi Jinping einen schweren diplomatischen Fehler begangen oder jemand in Peking arbeitet gegen ihn.