Stadtgeflüster: Was sind sexuelle Übergriffe?
Von Julia Schrenk
Der Politiker, der bei einem offiziellen Termin eine anwesende, ihm völlig fremde Frau umarmt.
Der Mann mit lokaler Berühmtheit, der von einer jungen Frau um ein Selfie gebeten wird und sie dabei viel zu weit oben „zufällig“ berührt.
Der Typ, der in der Straßenbahn im Gedrängel vor dem Aussteigen einer Frau noch schnell auf den Hintern greift und ihr, als sie sich angewidert umsieht, wer das getan haben könnte, von draußen noch einen triumphierenden Blick zuwirft.
Der Mann, der bei der Begrüßung beim ersten beruflichen Termin die Hand der Frau nimmt, sie zu sich zieht und ein Küsschen links und rechts auf die Wange drückt.
Der Gast in einem Lokal, der den Busen der 14-jährigen Wirtshaustochter begutachtet und sagt: „Na, da wächst sich auch schön langsam was zusammen.“
Der Kellner eines Wiener Kaffeehauses, der die 18-jährige Kundschaft fragt, ob das ein Kamelhaarpullover sei, den sie da trägt und der auf deren verwunderte Nachfrage, „Na, warum?“ sagt: „Na wegen de Höcker.“
Das sind nur einige Beispiele (die übrigens alle genauso stattgefunden haben) dafür, was unter anderem sexuelle Übergriffe sind. Es sind bewusst Beispiele, die manchen vielleicht lapidar vorkommen mögen. Aber man muss mit den „kleinen“ Vorfällen beginnen, wenn schon bei den „großen“ Unsicherheit darüber herrscht, ob es sich um sexuelle Übergriffe handelt.
Diese kleine Serviceleistung notwendig gemacht hat der (nun) ehemalige Leiter der Festspiele Erl, Gustav Kuhn, nach seinem ZIB2-Interview. „Was sind sexuelle Übergriffe?“, fragte er Interviewer Armin Wolf, der es ihm erklärte. In Kuhns Fall wären das u. a.: Griffe unter den Pullover und zwischen die Beine, unerwünschte Küsse auf den Mund. Kuhn sprach daraufhin von „Missverständnissen“ beim Kaffeetrinken. Wenn er „im wahrsten Sinne daneben gegriffen habe“, entschuldige er sich 100-mal.
Wer sich mit so einem plumpen Wortwitz entschuldigen will, hat gar nichts kapiert. Nur, dass es auch darüber keine Missverständnisse gibt.