Schluss mit Teilzeit-Bashing!
Von Anita Staudacher
Wer Teilzeit arbeitet, darf mit keiner Vollzeit-Pension rechnen. Jo, eh. Neuerdings häufen sich wieder gut gemeinte Ratschläge, die Frauen vor ihrer „Pensionslücke“ warnen. Irgendwie schwingt dabei immer eine gewisse Pauschalunterstellung mit, Frauen könnten nicht selbst rechnen und ihr Leben planen, sondern müssten bevormundet werden.
Stimmt schon, wenn Teilzeit die Normalarbeitszeit wird, können unsere sozialen Errungenschaften samt großzügigem Pensionssystem in der jetzigen Form nicht aufrechterhalten werden. Schon aus Fairness der nächsten Generationen gegenüber müssen daher Lösungen für eine längerfristige Finanzierbarkeit gefunden werden. Die aktuell einseitige Sicht auf die Teilzeit-Beschäftigten samt Bashing ist dabei aber der falsche Ansatz.
Statt Frauen wie anno dazumal zu bevormunden, sollte sich die Politik endlich der Lebensrealität vieler Menschen stellen und das Pensionssystem auf neue Beine stellen. Das jetzige Umlagesystem stammt noch aus der Mottenkiste des Industriezeitalters und seinem Ideal der (männlichen) Vollbeschäftigung. Aus einer Zeit also, als nur der Mann Vollzeit in die Fabrik ging und die Frau sich zu Hause um Kind und Küche kümmerte. Viel länger als 40 Stunden in der Woche übrigens.
Bunte Arbeitswelt
Der klassische 9-to-5-Job ist für viele passé. Durch den Strukturwandel in der Wirtschaft hin zur Dienstleistungsgesellschaft ist die Arbeitswelt bunter, flexibler, individualistischer geworden. Laut aktueller Beschäftigungsprognose werden in den nächsten fünf Jahren mehr als 90 Prozent aller zusätzlichen Stellen im frauen-dominierten Dienstleistungssektor entstehen – ein Großteil davon wird in Teilzeit sein, während Vollzeit wohl weiter auf dem Rückzug sein wird.
Schon jetzt erlaubt das Arbeitszeitgesetz eine große Bandbreite an Beschäftigungsformen von der Geringfügigkeit bis zur 60-Stunden-Woche. Angesichts der demografisch bedingten Personallücken haben viele Betriebe auch bereits umgedacht und bieten an, was gewünscht wird – auch weil ihnen keine andere Wahl bleibt.
System an Mensch anpassen
Wie heißt es so schön: Nicht die Menschen sollen sich an ein System anpassen, sondern das System an die Menschen. Dass dies möglich ist, zeigen Länder wie die Niederlande, wo sowohl Frauen als auch viele Männer weniger als 40 Stunden erwerbstätig sind, ohne dass das Pensionssystem kollabiert oder Menschen im Alter verarmen.
Ideen umsetzen
Ideen für neue Rahmenbedingungen, die allen gesellschaftlichen Schichten ein faires Auskommen im Alter garantieren, gibt es genug. Sie reichen von alternativen Einnahmequellen über Öko-, Vermögens- oder Digitalsteuern bis hin zu mehr Anreizen für die private Vorsorge (zweite, dritte Säule) und großzügigen Pensionskorridoren mit finanziellen Zu- und Abschlägen.