Meinung/Mein Tag

Nüchtern betrachtet, sorgt Abstinenz für Katerstimmung

Ich trinke derzeit keinen Alkohol. Das ist im fidel gluckernden Österreich ein Kapitalverbrechen und wird als hinterhältiger Angriff auf die hiesige Gemütlichkeit gewertet. Sobald die Leute meine Abstinenz bemerken, beginnt das fröhliche Rätselraten und somit Phase 1.

„Bist aber nicht noch einmal schwanger?“, „Nimmst starke Medikamente? Da schadet aber ein Glaserl eh nicht.“ Vermutlich wird hinter vorgehaltener Hand diskutiert, ob ich trockene Alkoholikerin bin. Danach kommt ungefragt die Erklärung, was denn davon zu halten sei: ungemütlich, langweilig und sehr schade sei das. Phase 2.

Kein Thema?

Phase 3: Man werde ja wohl noch ein paar Laster im Leben haben dürfen! Die will ich niemandem absprechen. Das Spannende an der ganzen Sache ist, dass ich sie nie aktiv thematisiere. Ich lehne einfach ab, wenn ich alkoholische Getränke angeboten bekomme, oder bestelle im Lokal anti. Das reicht beizeiten als Affront.

In Phase 4 wird mir erklärt, dass ich sicher genau heute eine Ausnahme machen könne: „Jetzt wirst du doch mit uns anstoßen, ist ja mein Geburtstag!“. Das Problem mit den Ausnahmen ist, dass es ständig welche gibt: Ein anstrengender Tag, nach dem man sich das Bier „verdient“ hat. Eine wilde Party im Freundeskreis. Das Punschtrinken mit den Kolleginnen und Kollegen. Das fünfgängige Menü mit Weinbegleitung. Die Prosecco-Verkostung beim Italiener des Vertrauens. Ich spreche nur für mich, aber: Wenn ich mit Ausnahmen anfange, bin ich verloren.

Fühlt sich gut an

Ich verrate Ihnen, warum ich derzeit keinen Alkohol trinke. Weil ich nicht will. Weil es meinem Körper guttut und sich super anfühlt. Dass das Ganze auch zum lustigen Gesellschaftsexperiment wird, ist ein Extra-Zuckerl, das ich gerne nehme.

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