Lust auf oesterreich

Die Wissenschaft des Lebens: Ayurveda-Kur im Waldviertel

Die acht Frauen und nur zwei Männer der Gruppe liegen rücklings auf ihren Yogamatten, die Köpfe auf Sitzpölstern. Sie schließen die Augen und kämpfen in der Dämmrigkeit des warmen Raumes gegen die Müdigkeit. Die Therapeutin schlägt relativ unrhythmisch (sie nennt es „impulsiv“) auf einen großen Gong, erst langsam, dann immer impulsiver. Wenn man in einem dunklen Raum nichts zu tun hat, außer einem „Gongbad“ zu lauschen, denkt man endlich die Gedanken fertig oder weiter, die im Kopf nisten. Das wirre Gegonge stört da fast. Nicht aber die Teilnehmerin vor mir, sie schnarcht nach drei Minuten. Aber rhythmisch.

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Porridge, Yoga, Vata oder Pitta oder Kapha, Meditation, gesundes Essen: Man hört seit Jahren viel von Ayurveda, aber was es genau ist, wusste ich bis vor Kurzem nicht. Und ohne in Klischees tapsen zu wollen, hege ich den Verdacht, dass es vielen Männern so geht. Was besonders dann schade ist, wenn die mit ihnen lebende Frau sich dafür interessiert. Und sie etwas verpassen, das zum eigenen Glücklichsein beitragen könnte. Mir blieb nur der Selbstversuch, um mir und allen Männern die Antworten auf Fragen zu suchen, die wir bis jetzt nicht stellten.

KURIER ReiseGenuss und AyurVienna laden zum Ayurveda-Schnuppern: Einführung durch Claudia Gnant und Ärztin Maria Bräuer (Mod.: Axel Halbhuber), Typbestimmung, Yoga-Versuch, Einblick in ayurvedische Küche, Open House AyurVienna Zentrum. Am 12. Jänner (18.30 Uhr), Cafeteria des Franziskus Spital (früher St. Elisabeth), Landstraßer Hauptstraße 4a, 1030 Wien. Begrenzte Teilnehmerzahl (3G!), Anmeldung: reise@kurier.at, Kennwort „Ayurveda“

Bei einer „Panchakarma-Kur“ geht es um die komplette Reinigung, auch durch eine Ausleitung. Das klang nach dem großen Paket und damit perfekt für mich, auch weil die zwar vor allem in Indien geboten werden, aber Ende Oktober auch in Geras. Hier in der Stille, wo das Waldviertel mit Tschechien verschmilzt und die sanft behügelte Gegend selbst wie ein Meditationsbild wirkt, veranstaltet das Wiener AyurVienna-Zentrum seine Kuren. Der Ort gilt wegen des ansässigen Stifts und einiger Einrichtungen als ein spirituelles Zentrum des Waldviertels, das Indische daran war mir bis jetzt unbewusst. Als ich durch das große Turmtor in den schmucken Meierhof schreite, ist mir auch noch gar nicht klar, wie sehr mir das bewusst werden wird.

Nach tiefem Schlaf und noch vor dem ersten Frühstück finde ich mich bei meiner ersten Yogastunde wieder, mein Glück: Dieses „Kundalini Yoga“ ist einfach für Einsteiger. Die Übungen von Katzenbuckel bis Kuhrücken erinnern mich an Turnstunden meiner Volksschulzeit, aber das Setting ist netter: Teelichter statt Turnsaalneon, Yogamatte statt kaltem Parkett. Ich plage mich trotzdem, schaue auf die durchschnittlich sportlichen anderen Teilnehmer (vor allem immer -innen) und frage mich still: Warum kann ich nicht gerade auf dem Boden sitzen, ohne dass die Schenkel unerträglich ziehen? Warum kann ich nicht länger als eine Minute den Rücken gerade strecken (ehrlich gesagt: zwanzig Sekunden)? Und beim Vorne-Überbeugen die Hände zum Boden bringen ... ein Desaster.

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Aber hier schaut keiner blöd. Die positive Stimmung fällt schnell auf. Man ist betont freundlich zueinander, eigentlich ist es vor allem Frau, denn auf fünf Frauen kommt in solchen Runden höchstens ein Mann. Der erfüllt dann auch seine Rolle, macht Witze, wo es geht. Aber auch die nie böse. „Rücksichtnahme“ murmle ich zu mir selbst, während ich das erste Porridge meines Lebens in den Mund schiebe und es sehr gut finde. Rücksicht auf die Gefühle, auf die Ideen und auf die Beschwerden der anderen.

Nach Morgenyoga und Breifrühstück bekommen die Tage ihre Struktur durch Behandlungen (unterschiedliche umfassende Massagen, oft mit viel Öl, oft mit Schwitzkasten-Einheit), selbst gestaltete Freizeit (es bieten sich lange und sehr schöne Wander-Spaziergänge oder Radtouren über besagte sanfte Landschaft an) und Arztgespräche. Der Fokus liegt dabei auf der Ausleitungssache: Die ersten Tage soll der Körper sich leeren, dann kommt der große Tag der Ausleitung, dann wird er neu gekräftigt.

Der Tag der Ausleitung in drei Bildern

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Es geht um alles

Daher geht es auf diesen Kuren auch überraschend oft um den persönlichen Stuhlgang. Das irritiert einen wie mich anfangs, es wird aber schnell normal, über Form und Beschaffenheit zu plaudern. Es wird einem schnell klar, bei Ayurveda geht es um alles, von Essen über seelische und körperliche Fitness bis Medizin. Ayurveda ist ganzheitlich. Als europäisch erzogener weißer Mensch kann man mit den handfesten Teilen mehr anfangen, Ernährung etwa, als mit den philosophischen, qua-religiösen. Aber man lässt sich nach und nach ein, hört beim Geöltwerden in sich, wird stiller, mal trauriger, dann wieder heller. Ich merke es daran, dass ich mir zunehmend die dummen Witze verbiete. Nach dem Abendessen gibt es immer Besinnung, siehe Gongbad. Und einmal eine Pfeifmeditation. Kein Witz.

Für besseres Verständnis und um die neuen Erkenntnisse besser in den Alltag mitnehmen zu können, gibt es täglich einen Vortrag von ayurvedisch Kochen bis Hausapotheke, von Geschichte bis Bedeutung. Ayurveda („Das Wissen vom Leben“) ist etwa viertausend Jahre alt und in der westlichen Sicht längst als Wissenschaft anerkannt. In Indien und anderen Ländern kann man Schulmedizin oder ayurvedische Medizin studieren, auch in Europa wurde angedacht, es als Fachrichtung in der Medizin anzusiedeln. Bei Kuren wie diesen hier gibt es ärztliche Begleitung.

Natürlich fällt der Glaube manchmal schwer. Ganz wichtig sind die Dosas (Vata/Pitta/Kapha) und die dazu gehörigen Gunas (an denen kann man arbeiten). Ich bin ein klassischer Kapha, lerne ich (größere, schwerere Menschen scheinen das fast immer zu sein), aber dann doch wieder nicht, weil man mir ein Feuer anmerke und das ist Pitta. Nur Vata sei ich bestimmt nicht, schon alleine, weil mir die Verdauungsstörungen fehlen. Ich lausche, verdränge aufkommende Vergleiche mit Zuckerlpackerlhoroskopen und freue mich, dass Kapha-Typen zwar ölig, schleimig, unbeweglich sind, aber auch ein exzellentes Gedächtnis haben und sehr potent sind. Mein Stuhlgang sei meist geformt, mein Schweiß geruchlos. Ja, man kann viel kalauern über diese Dinge, aber wenn man sich nicht komplett wehrt, nimmt man was mit.

Weil das Kapha-Verdauungsfeuer in der Früh übrigens niedrig ist, sollte ich nur essen, wenn ich wirklich Hunger habe. Ich quäle mich zur Antwort, dass ich in der Früh tatsächlich kaum hungrig bin. Und lasse am Tag danach seufzend sogar den Haferflockenbrei weg. Stattdessen versuche ich auf Empfehlung ein lauwarmes Glas Ingwerwasser.

Was soll ich sagen: Seit Oktober trinke ich in der Früh nur noch warmes Ingwerwasser. Es tut gut.

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Klimafreundliche Anreise
Ab Wien mit Zug (z. B. ab Franz-Josefs-Bahnhof) und Bus in 1:43 Std. nach Geras, oebb.at

Packages
Das AyurVienna-Zentrum am Stadtpark hat umfassende Angebote zu Ayurveda und bietet Kuren vor den Toren Wiens, Beispiele: 
– Reinigungs-/Ausleitungskur (Panchakarma-Kur): Königs- disziplin der Ayurveda Kuren, Beseitigung von Schlacken und Toxinen aus Gewebe und Darm bei chronischen Beschwerden und typischen Zivilisationserkrankungen, für nachhaltige Gesunderhaltung oder Reset. 10 Tage in Frühjahr (22. 4.–1. 5. 2023) oder Herbst (13.–22. 10.) im Meierhof Geras; 2.890 € (All inclusive)
– Verjüngungskur (Rasayana): Vitalisieren und Verjüngen von Haut und Geweben. Detox- Effekt durch ayurvedische Ernährung. Schwerpunkt auf Entspannung und neues Körpergefühl. 20.–26. 8. 2023, 1.820 € (All inclusive)
– Kennenlernen-Aufenthalt für 3 Tage auf Anfrage bei allen Kurterminen; Ayurveda Auszeit mit Wohlfühlfaktor und entschlackender Ayurveda Küche; 790 €
– Wochenend-Retreat in Wien 3 Tage: saisonal abgestimmtes Tagesprogramm mit Highlights rund um Yoga und Ayurveda (Massagen, Konstitutionsbest., Kochworkshops, ...); 27.–29. 1., 24.–26. 2., 24.–26. 3., 5.–7. 5.; 480 €

Auskunft
ayurvienna.at, waldviertel.at, stiftgeras.at, naturpark-geras.at