Leben/Tiere

Achtung, Orca! Rätselhafte Boot-Attacken der Wale häufen sich

Eigentlich werden Orcas den Menschen nicht wirklich gefährlich. Zur bevorzugten Beute der schwarz-weißen Wale gehören Haie, Robben und andere Wale. Wie gesagt - eigentlich. Denn in den Gewässern der Straße von Gibraltar und entlang der iberischen Westküste häufen sich ungewöhnliche Angriffe der prinzipiell so freundlich aussehenden Meeresbewohner: Zwischen 2020 und Juni 2022 wurden über 200 Fälle dokumentiert, in denen Orcas Boote rammten und teils schwer beschädigt und manövrierunfähig zurückließen. 

Diese Häufung des mehr als ungewöhnlichen Schwertwal-Verhaltens erfuhr noch eine Steigerung, als die Orcas seit vergangenem Sommer drei Seegelyachten mit ihren Attacken zum Sinken brachten. Menschen wurden dabei nicht verletzt, die Besatzung konnte sich jeweils in Sicherheit bringen - die Angriffe schienen sich allein gegen die Boote zu richten.

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Attacke!

Ein Segelboot erwischte es Anfang Mai auf dem Weg nach Algier, dieses erreichte jedoch, allen Orca-Versuchen zum Trotz, den sicheren Hafen. "Wir konnten rein gar nichts machen", erzählt ein Gast der Seegelreise. "Man ist genauso beeindruckt, wie man nervös ist." Das bisher letzte Segelboot versenkten die Meerestiere am 5. Mai, auch hier konnten alle an Bord gerettet werden.

Zurückführen lassen sich die Ramm-Attacken auf eine kleine Gruppe von etwa 15 Orcas, die im Jahr 2020 mit ihrem ungewöhnlichen Verhalten begannen. Auffällig ist, dass es sich dabei fast durchwegs um junge Orcas handelt, es sind nur zwei "Erwachsene" in der Gruppe. Forscherinnen und Forscher stehen vor einem Rätsel: Theorien, warum die Orcas auf Boote losgehen, gibt es einige. 

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Die wollen doch nur spielen?

Eine portugiesische Studie legt nahe, dass eine Orca-Matriarchin namens White Gladys hinter dem außergewöhnlichen Verhalten steckt. Sie soll, so die Annahme, ein traumatisches Erlebnis mit einem Schiff gehabt haben - und dieses Trauma an jüngere Generationen weitergegeben haben.

Es könnte auch ein Verhalten sein, dass die jungen Orcas einfach "erfunden" hätten und nun in der Gruppe wiederholten. Meeresbiologe Karsten Brensing sagt dazu im Gespräch mit dem Spiegel: "Wir haben hier vielleicht einen Fall, wo das mit einer Mode anfing, aus der eine Kultur geworden ist. Orcas leben in einer Kultur – wie Menschen auch. Und aus einer Mode kann ein Kulturgut entstehen. Da ist vielleicht ein Orca mal aus Wut über irgendwas auf die Idee gekommen, an den Rudern zu knabbern und die anderen haben das übernommen. Daraus wird dann schnell ein übliches Verhalten, wenn die Jungtiere sich das bei einzelnen Erwachsenen abschauen. 

Andere wiederum sind der Meinung, es sei nichts als Spaß für die Schwertwal-Bande: "Es verschafft ihnen ein Gefühl der Belohnung, einen Kick", sagt Erich Hoyt, ein Orca-Experte, im Gespräch mit der New York Times. "Spielen ist Teil davon, ein Raubtier zu sein."

Was auch immer die Orcas zum Boote-Rammen gebracht hat, Experten äußern die Sorge, dass sich die Tiere damit nur selber schaden. Die ohnehin schon bedrohte Spezies würde sich dadurch einem zusätzlichen Risiko aussetzen. Alfredo López Fernandez, ein Autor der portugiesischen Studie, will besorgte Seegelreisende beruhigen: "Es ist ein komplexes Verhalten, das nichts mit Aggression zu tun hat. Die Orcas zeigen keine Anzeichen, dass sie Menschen Schaden zufügen wollen."