Leben/Gesellschaft

Die Nadel im Misthaufen

Und schon wieder ein Fehlalarm: Vom verschollenen Flug MH370 fehlt nach wir vor jede Spur. Die Teile, die von einem Satelliten geortet wurden, gehörten nicht zur Boeing 770 der malaysischen Fluglinie, sondern waren Trümmer, die während des Tsunamis in Japan ins Meer gespült worden waren.

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Meeresbiologen wundert es nicht, dass sich die Suche nach dem Wrack derart schwierig gestaltet. Gerhard Herndl von der Universität Wien war schon auf vielen Ozeanen der Welt unterwegs – auch in jenem Teil des Pazifiks, in dem jetzt Wrackteile gesucht werden: "Wir haben auf unseren Forschungsreisen allerhand große Abfallteile im Meer gefunden", erinnert er sich. "Planen und Abdeckungen von Reedereien zum Beispiel. Auch Segel, Rettungsboote, riesige Holzstücke oder gekenterte Segelschiffe schwimmen im Meer."

Vom Weltall aus kann man die Trümmer zwar sehen, aber nicht erkennen, worum es sich konkret handelt: "Da müssen die Bergungsfachleute zuerst mit dem Schiff an die Fundstelle fahren und das Fundstück aus der Nähe betrachten."

Es wundert den Wiener Meeresbiologen, "dass die Bergungsexperten in dieser Gegend – so nahe an der Antarktis – überhaupt etwas finden." Die See dort gehört zu den "Roaring Forties", hier ist das Meer besonders stürmisch, die Wellen sind besonders hoch: "Die Westwinde rund um den Südpol werden durch keine Landmasse eingebremst. Das führt zu hohem Seegang. Als ich dort mit dem Schiff unterwegs war, haben wir oft nicht einmal die Bojen gesehen."

Aus ökologischer Sicht weitaus bedenklicher sind laut Gerhard Herndl aber nicht die großen Objekte, die durchs Meer treiben: "Es ist die unglaublich große Anzahl an Kleinstpartikel, die Forschern Sorge bereitet."

Riesige Müllinseln

Diese Partikel entstehen durch die Zersetzung großer Plastikteile: PET-Flaschen, Kanister, Spielzeug oder Sackerln werden im Wasser durch die UV-Strahlung und die Wellen in mikroskopisch kleine Teile fragmentiert. Im Gegensatz zu Glas, das sich meist schnell im Wasser auflöse, dauert es Jahrhunderte, bis Kunststoff zersetzt wird.

Die Dimensionen, die diese Ansammlung von Abfallprodukten mittlerweile annimmt, sind gewaltig. "Es entstehen so genannte Gyren – Müllstrudel. Ist der Mist einmal in einer Kreiselströmung, bleibt er darin. In den Meeren schwimmen mittlerweile Abfallinseln, die eine größere Fläche haben als Europa."

Einer dieser Gyren reicht zum Beispiel von der kalifornischen Küste bis nach Japan, ein weiterer von Florida in den USA bis zu den Kanarischen Inseln. "Solche Gyren finden sich in allen drei Weltmeeren", berichtet der Meeresbiologe.

Vieles wird auch an den Stränden angespült. "Ich erinnere mich an ein Erlebnis in Belize in Mittelamerika: Nie zuvor hatte ich einen so bunten Strand gesehen. Geschockt war ich, als ich gemerkt habe, dass ich in Plastikgranulat watete, das rund einen halben Meter tief war."

Entwicklungsländer

Die Schiffe tragen übrigens am wenigsten zur Plastikverschmutzung der Meere bei: "Hauptverursacher sind die Menschen an Land. Sie leiten den Dreck in die Flüsse, die das Plastik ins Meer transportieren. Rund 80 Prozent des Abfalls gelangt so ins Meer." (siehe Bericht unten)

Besonders in Entwicklungsländern wird Plastik meist nicht recycelt, sondern einfach weggeworfen oder in Säcken verpackt im Meer versenkt. Für Gerhard Herndl ist es deshalb "unverantwortlich, in diese Länder z. B. Plastikflaschen zu liefern, weil man genau weiß, dass diese nicht optimal entsorgt werden. So etwas sollte untersagt werden." Aber auch vor der eigenen Türe müsse man kehren: "In den Industriestaaten ist das Recycling noch nicht optimal."

Die Folgen für die Natur und sind fatal: "Plankton- oder Algenfresser nehmen statt natürlicher Nahrung Plastik zu sich. Die Tiere verhungern mit vollem Magen. Das beeinträchtigt die gesamte Lebensgemeinschaft in den Ozeanen." Mit Folgen für den Menschen: "Ist das Plastik einmal in der Nahrungskette, so gelangt es auch in unsere Körper."