Leben/Gesellschaft

Jugendforscher über die Generation Z: "Parteipolitik ist unsexy"

Vor zehn Jahren hing Simon Schnetzer seinen Job als Nachhaltigkeitsbeauftragter bei den Vereinten Nationen an den Nagel. Seither tourt der studierte Volkswirt durch Deutschland, um die Lebenswelten der Jungen kennenzulernen. 20.000 junge Menschen hat er bisher befragt, seine repräsentative Studie "Junge Deutsche" erschien heuer zum vierten Mal.

KURIER: Lange waren junge Menschen als unpolitisch punziert. Ändert sich das mit der Generation Z gerade?

Simon Schnetzer: Es findet tatsächlich eine Repolitisierung statt. Als ich meine ersten Interviews, damals noch mit der Vorgängergeneration Y, führte, herrschte Zukunftspessimismus: Hat man die Millennials gefragt, ob sie sich für Veränderung engagieren wollen, kam die Antwort: "Wozu soll ich mir über Politik den Kopf zerbrechen, wenn ich ohnehin nichts bewirken kann?"

Wie kam es dazu, dass Junge wieder auf die Straße gehen?

Dafür sind zwei Dinge ausschlaggebend: Die Brisanz des Klimawandels, dessen Auswirkungen für viele in den vergangenen Sommern zum ersten Mal erlebbar wurden. Hitzerekorde, Dürre, ausgetrocknete Brunnen, dann Überschwemmungskatastrophen: Es ist plötzlich offensichtlich, dass da etwas passiert, das uns alle betrifft. Und dann kam Greta. Das markiert einen Wendepunkt in der Diskussion. Sie hat es mit Fridays for Future geschafft, Schüler, die ihr politisches Leben noch vor sich haben, dazu zu bringen, auf- und für etwas einzustehen.

Wächst durch sie eine neue Protestgeneration heran?

Auf jeden Fall. Man muss Protest erleben, um ihn als wirksames Mittel zu erfahren. Das passiert gerade.

Warum liegt der Generation Z so viel an Umweltthemen?

Dem liegt der hochemotionale Gedanke der Generation Z zugrunde, auf unserer Erde auch in Zukunft noch gut leben zu wollen. Das ist durch den Klimawandel in Gefahr.

Ist es überhaupt sinnvoll, junge Menschen zu einer Generation zusammenzufassen?

Von Pauschalisierungen halte ich nicht viel. Wenn wir uns die Werte der vergangen drei Generationen, also X, Y und Z (siehe Infokasten ganz unten), ansehen, sind diese recht ähnlich. Was sinnvoll ist, ist zu überlegen, was eine Generation im Erwachsenwerden prägt. Z-ler haben ihr Leben nie analog organisiert. Für sie sind Smartphones und soziale Medien normal. Sie erwarten, sofort Feedback zu bekommen.

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Fridays for Future ist eine weltweite Bewegung. Welche Rolle spielt hier das Internet?

Diese globale Gleichzeitigkeit ist erst durch soziale Medien zustande gekommen. Man muss nicht nach Berlin oder Paris fahren, man kann auch in seiner Heimatgemeinde demonstrieren, das im Netz posten und Teil vom großen Ganzen werden.

Das Beispiel Rezo und die EU-Wahlen haben gezeigt, dass es eine ideologische Kluft zwischen den Generationen gibt. Haben die Alten auf die Fragen der Jungen keine Antworten mehr?

Große Parteien orientieren sich an den Wählern, von denen sie die meisten Stimmeffekte erwarten. Das sind die Älteren. Die Themen der jungen Menschen bleiben auf der Strecke. Das war solange kein Problem, solange diese nicht viel Einfluss hatten oder den Einfluss, den sie besaßen, nicht politisch genutzt haben. Insofern ist Rezo ein Gamechanger (hat einen starken Einfluss, Anm.), weil er als einer der ersten vor einem Millionenpublikum politisch Stellung bezog.

Viele junge Wählerinnen und Wähler haben in Deutschland und Österreich die Grünen gewählt. Haben sie etwas, das andere Parteien nicht haben?

Ich glaube, dass die Wahlerfolge der Grünen ein Stück weit Vorschusslorbeeren sind, die sie sich erst verdienen müssen. Sie haben zwar Vorarbeit für ein Thema geleistet, dass gerade im Kommen ist. Um die Wählerinnen und Wähler abseits der EU-Ebene zu binden, müssen auch sie Einiges tun.

Gibt es eine generelle Abkehr von politischen Parteien?

Parteipolitisches Engagement ist für junge Menschen oft unattraktiv, weil Parteien hierarchisch funktionieren. Mitreden darf man erst, wenn man die Hierarchie durchlaufen hat. Parteien schaffen also nicht genug Raum, damit sich Junge dort als selbstwirksam erleben. Das ist das Geniale an Fridays for Future: Da werden die Jugendlichen plötzlich nach ihren Ansichten gefragt.

Sie wollen also als Experten anerkannt werden?

Wenn sich ein Z-Jugendlicher in politische Prozesse einbringt, will er gehört werden. Sonst ist das unsexy. Die Generation Y war eine Brückengeneration. Da wurde einiges an der Gesellschaft kritisiert, eine übergeordnete Struktur aber anerkannt. Für die Folgegeneration ist der langwierige Prozess bis zur Wirksamkeit unlogisch.

Babyboomer: Die begriffliche Einteilung bestimmter Jahrgänge ist ein relativ neues Phänomen. Sie begann im 20. Jahrhundert mit den „Babyboomern“, die zwischen 1950 und 1965 geboren wurden. Der Name entsprang den steigenden Geburtenraten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Generation X: Der „Gen X“ werden die Geburtsjahre 1965 bis 1979 zugerechnet. Bekannt wurde der Ausdruck durch den 1991 erschienenen Roman „Generation X“ von Douglas Coupland. Nach dessen Einschätzung ist für die X-ler charakteristisch, dass sie erstmals ohne Kriegseinwirkung leben, sich aber mit weniger Wohlstand und ökonomischer Sicherheit begnügen müssen als die Elterngeneration.

Generation Y: Die Millennials wurden im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späten 1990er Jahren geboren. Sie gelten als prägende Generation für die Zukunft. Aber: Die „Krisen-Generation“ ist von Sorgen erfüllt: Man ist sich nicht sicher, ob es gelingen wird, den sozialen Status und den Lebensstandard der Eltern halten zu können.

Generation Z: Als Generation Z werden Menschen bezeichnet, die zwischen 1995 und 2012 zur Welt gekommen sind. In der Arbeitswelt orientieren sie sich neu. Beruf und Privates werden getrennt. Beim Smartphone ist bewusster Verzicht angesagt.