Leben/Gesellschaft

Beschnittene Männer: Mehr oder weniger Glücksgefühle beim Sex?

Nach einer Beschneidung im Erwachsenenalter ist der Sex für Männer vor allem eines: gewöhnungsbedürftig.

Zu Beginn ist die Eichel etwas empfindlicher. Ein Effekt, der sich Expertinnen und Experten zufolge mit der Zeit verflüchtigt. In bisherigen Studien hat sich gezeigt, dass beschnittene Männer langfristig nicht mehr Lust empfinden als unbeschnittene. Allerdings berichten manche Männer nach dem Eingriff von Gefühlsstörungen im Bereich der Eichel. Andere wiederum von intensiveren Orgasmen während des Geschlechtsverkehrs und länger andauerndem Sex.

Zusammenspiel von Körper und Psyche

Psychologinnen und Psychologen der Yale University haben sich nun erneut angesehen, wie sich das Entfernen der Vorhaut auf das männliche Sexualleben auswirkt. In ihrer Untersuchung, die im Fachblatt Archives of Sexual Behavior veröffentlicht wurde, berichten sie, dass eine Beschneidung keinen wesentlichen Einfluss auf das sexuelle Funktionieren – etwa die Fähigkeit, eine Erektion zu bekommen und aufrechtzuerhalten – habe.

Allerdings zeigte sich auch: Männer, die mit ihrem beschnittenen Penis zufrieden sind, haben tendenziell eine positivere Sicht auf ihr Genital und betrachten ihren Körper mit mehr Selbstbewusstsein – sie können sich in intimen Momenten mehr fallen lassen und den Sex mehr genießen.

Die Erkenntnis deuten darauf hin, dass eine Beschneidung nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche betrifft. Wie man sich diesbezüglich fühlt, hat demnach einen wesentlichen Einfluss auf das sexuelle Erleben.

Verbreitet, aber nach wie vor tabuisiert

"Die Penisbeschneidung ist allgemein ein interessantes Thema, weil – zumindest in den USA – viele dazu einen persönlichen Bezug und eine starke Meinung haben", wird Psychologin und Studienhauptautorin Sophia Selino von der Yale University auf der Online-Plattform PsyPost zitiert. Gleichzeitig werde aber nach wie vor kaum offen über das Thema gesprochen.

Selino rekrutierte mit ihrem Team 205 Männer, von denen 102 beschnitten und 103 nicht beschnitten waren. Die Teilnehmer kamen aus verschiedenen Teilen der Welt, den Vereinigten Staaten, Kanada, Lateinamerika, Europa, Asien, Afrika und Australien. Sie waren zwischen 18 und 65 Jahre alt, das Durchschnittsalter betrug 29 Jahre.

In puncto Potenz stellten die Forschenden keine spannenden Unterschiede zwischen beschnittenen und unbeschnittenen Männern fest.

Wie zufrieden die Probanden mit ihrem Status als beschnittene Männer waren, hat jedoch sehr wohl Einfluss darauf, wie wohl sie sich mit dem Aussehen ihres Genitals fühlen. Je unglücklicher sie damit sind, desto eher vermeiden sie beispielsweise extensiven Körperkontakt beim Liebesakt. Und desto zaghafter sind sie, wenn es darum geht, sich vor dem Partner oder der Partnerin zu entkleiden.

Konkret: Diejenigen, die angaben, mit ihrem Beschneidungsstatus "sehr zufrieden" oder "zufrieden" mit ihrer Beschneidung zu sein, stimmten Aussagen wie "Ich habe ein positives Gefühl in Bezug auf meine Genitalien" eher zu und stimmten Aussagen wie "Ich möchte nicht, dass mein Partner mich bei sexuellen Aktivitäten völlig nackt sieht" eher nicht zu.

Psychosexuelle Effekte beachten

"Das ist an sich nicht überraschend", sagt Selino, "aber zeigt, dass psychosexuelle Auswirkungen der Beschneidung berücksichtigt werden müssen".

Überraschend: Insgesamt waren nicht beschnittene Personen im Allgemeinen zufriedener mit ihrem Penis als beschnittene Personen, unabhängig von ihrer Herkunftsregion. "Ich war etwas überrascht, dass die Zufriedenheit mit dem Beschneidungsstatus nicht davon abhängt, ob man in seiner Herkunftsregion der Mehrheit angehört", sagt Selino. "Stattdessen zeigten die Daten, dass nicht-beschnittene Menschen insgesamt zufriedener mit ihrem Status waren als beschnittene."

Die kleine Stichprobe lasse keine weitreichenden Schlussfolgerungen zu, allerdings, so Selino, sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass viele Männer kein Mitspracherecht bei ihrer Beschneidung haben.