Freund und Helfer an der Leine: Ein Assistenzhund für Elisa
Von Hedwig Derka
„Ich habe sehr schnell gewusst, dass Elisa nicht so ist wie andere Kinder.“ Andrea Kitzberger erinnert sich an den Blick ihres Babys am zweiten Tage nach der Geburt. Zunächst führt der angeborene Herzfehler zur Untersuchung der Gefäße, der Verdacht auf das seltene Williams-Beuren-Syndrom steht schon im Raum, ein Gentest bringt Gewissheit. Die Mutter fällt trotzdem nicht aus den Wolken. „Ich bin Sonderschullehrerin, für mich war immer klar: Beeinträchtigung ist eben möglich.“
Teenager mit besonderen Bedürfnissen
Heute, zwölf Jahre später, ist Elisa für ihre Mutter vor allem eines: Ein toller Teenager – mitten in der Pubertät; im Wechselbad überwältigender Gefühle und begrenzter Möglichkeiten. „Das mach ich schon selber“ scheitert oft frustrierend an Orientierungs-, Wahrnehmungs- und Teilleistungsstörungen, die mit dem unvollständigen Chromosom 7 einhergehen.
Das Williams-Beuren-Syndrom ist eine genetisch bedingte Besonderheit, deren Ursache in einer Deletion auf dem Chromosom 7 liegt. Zu den Merkmalen zählen u.a. kognitive Behinderung unterschiedlichen Schweregrades, Wachstumsverzögerung, häufig Infektionen, besondere Gesichtszüge, Herzfehler und Nierenleiden.
„Ich wünsche mir mehr Selbstständigkeit für meine sensible Tochter“, sagt die Oberösterreicherin. Mit diesem Traum startete sie denn auch ihr „Projekt Assistenzhund“. Der Helfer heißt Luna. Pet Ribbon und Stiftung Kindertraum machen es möglich. Sie übernehmen die Ausbildungskosten in der Höhe von 15.000 Euro. Bis Mitte Oktober geht von jeder verkauften Whiskas- bzw. Pedigree-Packung ein Cent an die Spendenplattform.
Hund in Ausbildung
Die junge Dame und der junge Goldendoodle sind bereits ein Herz und eine Seele. Noch lebt der sechs Monate alte Hund in Ausbildung bei seiner Trainerin. Doch alle zwei Wochen kommt es zum Wiedersehen. Dann wird beschnuppert, gespielt, vertrauensbildend mit Leckerlis verwöhnt und fleißig geübt. Im Sommer nächsten Jahres soll Luna fix bei Familie Kitzberger in Rohrbach einziehen. Die Aufgaben, die das Arbeitstier einmal übernehmen soll, stehen längst fest.
„Luna könnte wie ein Blindenhund helfen“, sagt die 39-Jährige. Ab Herbst 2020 soll der Vierbeiner Elisa sicher vom Elternhaus zur Mittelschule bringen. Alleine findet sich das Mädchen in der Kleinstadt nicht zurecht, zudem schrecken laute Motoren oder Sirenen. „Luna soll Wegweiser sein und Elisa auf die Gefahren im Straßenverkehr aufmerksam machen“, erklärt die Mutter.
Sicher und geborgen
Die Mobilität im Mensch-Tier-Gespann will gelernt sein, eine gefestigte Psyche wird sich entwickeln: Zunehmende Selbstständigkeit fördert das Selbstwertgefühl und macht Mut auf mehr; und glücklich. Ein bester Freund an der Seite tut besonders in Stresssituationen gut. Und davon hat das Mädchen aufgrund seiner Krankengeschichte genug. „Elisa muss im Oktober wieder am Herzen operiert werden. Sie spielt die Szenen, die im Spital auf sie zukommen, zu Hause durch und redet ganz viel darüber“, erzählt Kitzberger über ihr gesprächiges, reflektiertes, mitunter weises Kind. Auch da wird Luna helfen. Dunkle Gedanken, Todesängste, Panikattacken, lassen sich zwar nicht wegkuscheln, aber ein Fellkamerad vermittelt Geborgenheit und steckt mit Lebensfreude an.
Hartes Training
Bis Luna ein verlässlicher Begleiter für Elisa ist, braucht es viel Gespür, hartes Training und gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen. Assistenzhund ist ein schwerer Beruf. „Prinzipiell wird jeder Assistenzhund speziell auf seinen Menschen abgestimmt“, sagt Silvia Sturmberger. Die tierschutzqualifizierte Hundetrainerin hat den Goldendoodle Luna für das Mädchen ausgesucht. „Ich habe mir angeschaut, welche Bedürfnisse die Familie hat.“ Die Rasse passt ideal, der Mix aus Golden Retriever und Pudel haart kaum, unabdingbar in einem Haushalt mit Allergiker.
„Als erstes besucht man den Züchter“, erklärt die Ausbildnerin weiter. Stammbaum und Gesundheitspapiere helfen bei der Auswahl des Azubi; ebenso der Charakter der Eltern und älteren Geschwister. Souveränität geht vor. Im Training lernt Luna durch positive Verstärkung, sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren; zunächst allein mit dem Profi, später, gefestigt, mit Elisa bzw. ihrer Mutter. Stress darf nicht aufkommen – erst recht nicht in der Kennenlernphase. Frühestens im zweiten Lebensjahr kann Luna vor Ort ihre Prüfung ablegen. Dann darf der Reha-Dog mit seiner gelben Kenndecke auch überall hin, ein Eintrag im Behindertenpass weist ihn als Helfer aus. Im Einsatz soll er von Fremden nicht gestreichelt werden, Ablenkung kann Elisa in Gefahr bringen.
Schnupperstunde
Noch befinden sich Luna und die Kitzberger in der Schnupperphase. Die zweifache Mutter weiß schon jetzt, dass es klappen wird: „Die Oma hat drei Hunde, und Elisa hat Erfahrungen mit Therapiehunden. Hunde sind ihr total wichtig.“ Auch Sohn Florian, 15, freut sich auf den Vierbeiner. Er steht – wie der Vater von Elisa und der Lebensgefährte von Andrea – voll hinter dem „Projekt Assistenzhund“. Der tierische Familienzuwachs wird allen Beteiligten den Alltag erleichtern. Nur die beiden Katzen der Familie müssen sich noch an den weißen Wirbelwind gewöhnen.