Leben/Gesellschaft

Alte Rasse: Die Rückkehr des Steinhendls

Ein paar sind hochgeflogen und sitzen in den Bäumen, ein paar genießen die Sonne, andere nehmen gerade ein Sandbad. Die meisten tummeln sich neben dem mobilen Stall und suchen emsig Futter. Gräser, Samen, Insekten, Würmer stehen auf dem Speiseplan der freiheitsliebenden Allesfresser.

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"Steinhendln versorgen sich – wenn sie die Möglichkeit haben – fast selbst", sagt Günter Jaritz. Der Nebenerwerbsbauer steht trotzdem täglich vor den Hühnern auf. Auf seinem Kempichl Hof am oberen Unkenberg in Salzburg wollen auch Blobe Ziegen, Alpine Steinschafe und Sulmtaler Hühner versorgt werden – allesamt einheimische Nutztiere, die vom Aussterben bedroht sind. Die Steinhendln hat Jaritz derzeit speziell unter seine Fittiche genommen und ein Erhaltungsprojekt der anderen Art gestartet.

Fesche Henn

"Hühner sind total nett und einfach im Umgang. Man kann schnell einen Bestand aufbauen", schwärmt der Landschaftsökologe. Die gedrungenen "Stoapipperl" auf den kurzen Beinen findet er wegen ihres farbenfrohen Federkleids "ganz besonders entzückend". Etwa 40 Exemplare leben auf seiner Arche, 150 Tiere existieren insgesamt noch von der einst im ganzen Alpenraum bis zum Balkan vertretenen Rasse.

Dabei verfügt die fesche Henn, die im 19. Jahrhundert vor allem durch leistungsstarken Legehybriden verdrängt wurde, über äußerst nützliche Eigenschaften. "Steinhendln legen im Jahr etwa 100 Eier mit dunklem, großen Dotter und haben einen ausgeprägten Bruttrieb. In kleinbäuerlichen Landwirtschaften mit 40 Tieren musste nichts zugekauft werden", weiß Jaritz seit seinen Recherchen für das Buch Seltene Nutztiere der Alpen. Zudem sind die etwa 500 g schweren Leichtgewichte sehr robust und auffallend vital. Kommt der Fuchs, bringen sich die Überflieger auf Bäumen in Sicherheit. Kommt der Traktor, plustert sich die Glucke vor zwölf Küken auf. Die aggressive Brutverteidigung ist legendär.

Gene erhalten

"Die alten Landhuhnrassen haben ihre Eigenschaften und Instinkte erhalten. Sie sollen als Nutztiere überleben", betont der Obmann des Zuchtvereins für traditionelles Nutzgeflügel in den Alpen. Kammform und Farbschläge sind Nebensache, sie widersprechen der Generhaltung. Und so rechnet ein Computerprogramm aus, welcher Hahn schon oft im Korb war und welcher sich ranhalten muss. Das Erbgut soll breit gestreut sein. Vergleichbare Zuchtplanung wird derzeit in Österreich nur bei Nutzsäugetieren angewendet. Genetische Untersuchungen sollen folgen.

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"Ich bin für das Steinhendl zuversichtlich", sagt Jaritz. Er sieht einen regelrechten Boom in der Hühnerhaltung – weil der Wunsch nach Selbstversorgung wachse und das Bodenständige als Ausgleich zur virtuellen Welt an Bedeutung gewinne. Das Steirische Landhuhn hat also gute Chancen, noch länger zu gackern.

Für anderes Geflügel, für so manche Schafe und Schweine, Rinder, Pferde und Ziegen wird der Überlebenskampf hart. Jede dritte der weltweit mehr als 6000 Nutztierrassen ist in ihrer Existenz gefährdet, wöchentlich geht eine verloren. Günter Jaritz gibt sich nicht geschlagen: "Der Spitz ist die älteste Hunderasse in Europa. Vom Tiroler Bergspitz habe ich 15 halbwegs reinrassige Tiere gefunden. Die Treibhunde dürfen nicht völlig verschwinden", nimmt er bereits das nächste Arterhaltungsprojekt in Angriff. Die streitbaren Steinhendln werden wissen, was zu tun ist.

In Österreich werden 12,4 Millionen Hendl in etwa 71.000 Betrieben gehalten. Die Jahresproduktion liegt bei 125.000 Tonnen Fleisch und 1,6 Milliarden Eiern. Selbstversorgungsgrad: 82 %.

Rassen

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Geflügelproduktion mit angesagten Hybrid-Rassen industrialisiert. Es zählten Legeleistung, Tageszunahme und Futterverwertung.

Landhuhn

Von den einheimischen Rassen kämpfen Alt- steirer, Sulmtaler und Steinhendl ums Überleben. Eine Patenschaft fürs Stoapipperl kostet 50 Euro im Jahr, Hobbyzüchter sind willkommen. Anfragen unter kempichl@aon.at. Infos unter www.alpenrassen.at. Konsumenten helfen, indem sie nach regionalen Produkten fragen.