Ulrich Seidl: Für die einen mutig, für die anderen voyeuristisch
Von Alexandra Seibel
Ulrich Seidl zählt zu den renommiertesten Filmemachern des Landes – und zu den Umstrittensten. Sein scharfer Blick auf Menschen an den Rändern der Gesellschaft und auf soziale Milieus, die der bürgerlichen Sicht oft verborgen bleiben, machten ihn über die Grenzen hinweg international bekannt – und provozier(t)en sein Publikum. Den einen gilt er als mutiger Ästhet und schonungsloser Menschendarsteller, den anderen als skrupelloser Voyeur. Ob es sich um das schwere Leben von Zeitungskolporteuren in Wien („Good News – Von Kolporteuren, toten Hunden und anderen Wiener“; 1990), um hingebungsvolle Tierliebhaber („Tierische Liebe“; 1995), fanatische Jesus-Verehrerinnen („Jesus, du weißt“; 2003) oder um menschliche Glückssuche in der „Paradies“- Trilogie handelt – Ulrich Seidls Handschrift ist in jedem Fall unverkennbar: Seine exakt arrangierten Tableaus zählen ebenso zu seinem Markenzeichen wie die Auflösung zwischen dokumentarischen Formen und Spielfilm.
Das Filmarchiv Austria zeigt das Gesamtwerk des polarisierenden Regisseurs im Metro Kinokulturhaus (bis 4. März). Begleitet wird die Retro von Gesprächen und vier von Ulrich Seidl ausgewählten Carte-Blanche-Filmen.
Erst kürzlich flammte eine Kontroverse um die Produktionsbedingungen seines jüngsten Films „Sparta“ auf, der von einem Mann mit pädophilen Neigungen handelt. „Sparta“ hat im Rahmen der Retro zwei Previews (12. Februar., 3. März.), Kinostart ist am 5. Mai 2023. „Sparta“ ist der „Bruderfilm“ von „Rimini“: Beide Filme werden gemeinsam als neue Fassung unter dem Arbeitstitel „Böse Spiele“ am 4. März, in Anwesenheit von Ulrich Seidl und seinem Team gezeigt.