Kultur

Schwere Vorwürfe gegen Tanzstar De Keersmaeker: Kompagnie gelobt Maßnahmen

Sie ist mit Sicherheit einer der wichtigsten europäischen Tanzstars: Die Belgierin Anne Teresa De Keersmaeker hat mit ihrer Kompagnie Rosas in den letzten Jahrzehnten zahlreiche exemplarische Choreografien geschaffen. Zuletzt aber gab es gegen die Tänzerin und Choreografin schwere Vorwürfe: Sie soll verletzte Tänzerinnen und Tänzer zu Auftritten gezwungen haben, erniedrigende Kommentare abgegeben haben und einen autoritären Führungsstil gepflegt haben.

Nun gibt es Maßnahmen: Auf der Webseite von Rosas wurde ein Statement veröffentlicht, das einerseits bestätigt, dass es Beschwerden gegeben hat. Und andererseits Maßnahmen schildert bzw. in Aussicht stellt, um die Arbeitssitutation zu verbessern.

Ab 15. Juli ist die belgische Starchoreografin Anne Teresa De Keersmaeker mit ihrem neuen Werk „Il Cimento dell'Armonia e dell'Inventione“ beim Wiener ImPulsTanz-Festival zu Gast. Dessen Leiter Karl Regensburger gab auf KURIER-Anfrage folgendes Statement:

"Seit dem Jahr 1994 begleiten Anne Teresa De Keersmaeker und die Compagnie Rosas das ImPulsTanz Festival. Seither waren sie mit über 30 Produktionen sowie unzähligen Repertory Workshops zu Gast. Kaum eine andere Choreografin hat den zeitgenössischen Tanz künstlerisch so geprägt wie sie. Die Einladung der Compagnie zum diesjährigen Festival mit den Produktionen Il Cimento dell’Armonia e dell’Inventione und der Lecture Performance Vocabularium wurde bereits im Herbst letzten Jahres ausgesprochen, als die Vorwürfe gegenüber der Compagnie noch nicht bekannt waren. 

Die bereits gesetzten Schritte von Rosas und die Ernsthaftigkeit, mit der sie sich diesen Themen und Vorwürfen annehmen, hat uns schlussendlich überzeugt, die Produktionen wie vereinbart und angekündigt im diesjährigen Festival zu präsentieren, sowie nicht zuletzt auch aus Respekt gegenüber Co- Choreograf Radouan Mriziga, den weiteren Mitwirkenden und beteiligten Künstler*innen, sowie all jenen, die bereits Tickets gekauft haben und sich auf die neuen Arbeiten freuen. 

Wir nehmen diese Auseinandersetzung sehr ernst und sind uns auch der dahinterliegenden strukturellen Probleme bewusst. Wir wünschen uns und arbeiten daran, dass sich in naher Zukunft die Arbeitsbedingungen für Tänzer*innen, Künstler*innen und Mitarbeiter*innen (weiter) verbessern – sowohl bei Rosas als auch im gesamten Kunst- und Kultursektor. Es gibt viel zu tun."

Laut einem Bericht der belgischen Zeitung De Standaard beklagten Tänzerinnen und Tänzer “unzureichende psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz, verletzende Äußerungen, subtile Schikanierung, eine Kultur des Schweigens, hohe psychische bzw. physische Belastung durch die Arbeit für Rosas, das Gefühl, vom oberen Management nicht gehört zu werden". Insgesamt wird eine "ungesunde Arbeitsdynamik und -atmosphäre" kritisiert.

De Keersmaeker habe regelmäßig Tänzer derart erniedrigt, dass sie zu weinen begannen. Ein Tänzer berichtet von Panikattacken. Die Choreografin habe ein "Klima der Angst" geschaffen.

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Die Kompagnie bestätigt nun, dass es Beschwerden gegeben habe. Man habe im direkten Dialog mit De Keersmaeker Lösungen gesucht. Es soll nun eine externe Beschwerdestelle geben, psychologisches Training für das Management - also De Keersmaeker - und Kommunikationstraining.

Während dieses Prozesses seien "ungelöste Angelegenheiten" aufgetaucht. Die Umsetzung der Maßnahmen werde weiter beobachtet, hieß es in dem Statement auf der Webseite.

Die Vorwürfe wurden vor dem Hintergrund finanzieller Schwierigkeiten der Kompagnie geäußert. Rosas habe durch die Pandemie hohe Verluste erlitten. Aber die Pandemie war auch ein entscheidender Faktor für die Kritik an den Arbeitsbedingungen: De Keersmaeker habe sich als Pandemieskeptikerin erwiesen, sei mit gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen überaus locker umgegangen und habe erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als "zu schwach" oder "durch die Impfung erkrankt" erniedrigt. 

Sie sei "außergewöhnlich zornig" geworden, als sich ein erkrankter Mitarbeiter auf einer Reise testen ließ, da dies die Proben behindere, und habe gegen die Regelungen weiter geprobt. "Unsere Sicherheit hatte keine Priorität", sagte ein Tänzer.