Kris Kristofferson wird 85 - und geht nun offiziell in Pension
Ob „Sunday Morning Coming Down“, „Help Me Make It Through the Night“ oder „Me and Bobby McGee“: Mehr als 50 Jahre lang hat Kris Kristofferson Songs geschrieben und ist über die Bühnen der Welt getourt. Kurz vor seinem 85. Geburtstag am Dienstag (22. Juni) aber ist der US-Musiker offiziell in Pension gegangen. Sohn John Kristofferson verwaltet nun das Label seines Vaters und kümmert sich um dessen Lebenswerk.
„Der Name war schon immer ein Synonym für das Songschreiben als Kunst, und wir freuen uns darauf, sein Werk neuen und alten Fans gleichermaßen neu vorzustellen“, ließ John Kristofferson mitteilen. „Wir haben viele aufregende Projekte in Arbeit, und ich freue mich darauf, sie in die Welt zu bringen.“
Seinen zumindest bisher letzten Auftritt hatte Kris Kristofferson Medienberichten zufolge Anfang 2020 auf einem Kreuzfahrtschiff - und beendete das Konzert vor jubelndem und klatschendem Publikum mit dem Song „Please Don't Tell Me How The Story Ends“. Seinen 80. Geburtstag 2016 hatte er mit einem Konzert gefeiert, auch das Album „The Cedar Creek Session“ und eine ganze Tour hatte er sich damals noch geschenkt. Jetzt aber hat er mehr Zeit für seine andere Lieblingsbeschäftigung: Den Rasen seines Anwesens auf Hawaii mähen. „Das ist meine Therapie“, sagte Kristofferson einmal dem US-Radiosender NPR. „Auf meinem Rasentraktor kann mir keiner was.“
Geboren wurde der Enkel schwedischer Einwanderer 1936 in Brownsville ganz im Süden von Texas. Mit einem Stipendium für Hochbegabte studierte er im britischen Oxford und wollte zunächst Schriftsteller werden. Als er damit keinen Erfolg hatte, wurde er Hubschrauberpilot beim US-Militär und war von 1962 bis 1965 in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) stationiert.
Danach sollte er an der berühmten Militärakademie West Point bei New York Literatur unterrichten, doch er folgte seinem Herzen und ging in die Hochburg der Countrymusik, nach Nashville. „Die ganze Sache verblüfft mich immer noch“, sagte Kristofferson dem „Rolling Stone“. „Ich war auf dem Weg in ein komplett anderes Leben. Und plötzlich habe ich meine ganze Zukunft, meine Familie und alles andere dem untergeordnet. Das war ziemlich angsteinflößend.“
Seine Mutter war entsetzt und sprach jahrelang kein Wort mehr mit ihrem Sohn. „Sie hat gesagt, dass ich eine Schande für die Familie bin. Ich habe ihnen stolze Momente gegeben, zum Beispiel mit meinem Stipendium, aber sie sagte: “Das wird niemals die riesige Enttäuschung aufwiegen, die du schon immer warst.„ Warum sagt man so etwas zu seinem Kind?“ Auch Kristoffersons erste Ehe zerbrach an Nashville.
Seine Musik-Karriere aber nahm dort nach und nach Fahrt auf. „Ich wusste eine lange Zeit nicht, ob ich jemals Songs verkaufen würde. Ich habe mir dann gesagt, dass ich es für mich mache und für all die Befriedigung, die ich daraus ziehen kann. Aber irgendwann konnte ich dann doch davon leben.“ Bald steht Kristofferson neben Bob Dylan auf der Bühne und schreibt einen Hit nach dem anderen. „Schließlich stand ich mit all meinen Helden auf der Bühne. Es war unglaublich.“ Musik-Stars wie Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Joan Baez, Willie Nelson, Janis Joplin und Ray Charles sangen seine Lieder. Zudem wurde Kristofferson zum gefeierten Filmstar.
Seine Konzerte begann der Musiker immer mit dem Song „Shipwrecked in the 80's“. Aus Aberglauben, denn dass er überhaupt selbst als Sänger mit seinen Songs touren und Hallen füllen würde, überraschte wohl ihn selbst am meisten. „Jeder Künstler, der meine Songs gesungen hat, hat das besser gemacht als ich. Ich singe wie ein Frosch.“ Die „New York Times“ sah das ähnlich: „Mr. Kristofferson ist über drei Akkorde nie hinausgekommen.“ Trotzdem lieben ihn Millionen Fans weltweit, für die der singende Poet mit seiner Gesellschaftskritik und Melancholie das gebrochene Lebensgefühl der Anti-Vietnamkrieg-Generation verkörpert.
Kristofferson ist seit 1983 in zweiter Ehe mit der Anwältin Lisa Meyers verheiratet, die beiden haben fünf Kinder und Pflegekinder und leben auf Hawaii. Meyers half dem Musiker auch bei seinem Kampf gegen den Gedächtnisverlust, der ihn jahrelang beschäftigte und das Album „Feeling Mortal“ (auf Deutsch etwa: Ich fühle mich sterblich) inspirierte. Ein Arzt habe schließlich Borreliose diagnostiziert und behandelt, danach sei es besser geworden, sagten Kristofferson und Meyers dem „Rolling Stone“.
Für seinen Abschied irgendwann hat der Musiker aber bereits vorgesorgt und sich eine Songzeile von Leonard Cohen für seinen Grabstein ausgesucht: „Like a bird on the wire, like a drunk in a midnight choir, I have tried in my way to be free.“