Kultur

Filmkritik zu "Bohemian Rhapsody": Mit Biss und Vorbiss

Beinahe sah es so aus, als würde der größte Hit fehlen. „We Are The Champions“ – jener Song, den wohl (fast) jeder irgendwann einmal in seinem Leben zwischen Skikurs und Schulparty (besoffen) mit gegrölt hat, kam nicht vor. Bis zum Schluss nicht. Erst ganz am Ende, bei dem legendären Auftritt von Queen beim Live-Aid-Konzert im Jahr 1985, lässt Regisseur Bryan Singer „We Are the Champions“ vom Stapel – zum großen Finale seines zwar unterhaltsamen, wenngleich weitgehend unoriginellen Bio-Pics über Freddie Mercury, einen der weltgrößten Showmänner der Stadionrock-Geschichte.

Dass Bryan Singer überhaupt als Regisseur genannt wird, grenzt an ein Wunder. Gerüchteweise wollte man seinen Namen streichen, nachdem er die letzten Wochen nicht mehr am Set erschienen war. Auch die Besetzung des Hauptdarstellers erwies sich als Zitterpartie, denn nicht nur Sacha Baron Cohen hatte sich von seiner Rolle als Freddie Mercury zurückgezogen.

Doch wenn „Bohemian Rhapsody“ einen Trumpf im Glamour-Ärmel hat, dann Rami Malek. An ihm liegt es nicht, dass „Bohemian Rhapsody“ nicht als herausragende Hommage durch die Decke schießt. Malek, ein ägyptischstämmiger Amerikaner, ist mit Vorbiss, Schnauzbart und schläfrigem Blick schlicht umwerfend als flamboyanter Frontman, Bühnen-Berserker und gewaltiger Stimmkünstler von Queen.

Er ist es, der eine zersplitterte Combo zur Stadion-Rock-Band Queen– „as in Royal Highness“ – formiert.

Zwischen räudigem Rock ’n’ Roll und opernhafter Großmelodik liefert Malek die Performance seines Lebens. Als Freddie tobt er im weißen Feinripp über die Bühne, wenn er nicht gerade mit schreienden Outfits die Band-Kollegen provoziert („Du siehst aus wie eine wütende Eidechse!“). Er ist energetisch, divenhaft, eitel wie ein Pfau, witzig, sweet und sexy.

Oscarnominierung garantiert.

Windhund

Auch Gwilym Lee als Freddies kongenialer Gitarrist Brian May besticht mit seiner Akkuratheit und der Frisur eines afghanischen Windhundes. Selbst Mike Myers, an den man sich noch erinnert, wie er in „Wayne’s World“ zu „Bohemian Rhapsody“ im Auto zu headbangen beginnt, hat eine kleine Scherzrolle übernommen: Er spielt einen Vertreter der Plattenfirma EMI und weigert sich, „Bohemian Rhapsody“ als Single („Zu lang!“) heraus zu bringen.

Jenseits der konventionellen Trampelpfade einer typischen „Aufstieg und Fall“-Geschichte ist Singer allerdings nichts eingefallen: Zwischen den Produktionen von Hit-Singles und spritzigen Konzertauftritten werden Freddie Mercurys Karrierestationen auf Hochglanz poliert und absolut Mainstream- und hetero-tauglich abgehakt. Besonders problematisch ist die Darstellung von Freddies schwulem Lebensstil, der nur als einsame Extravaganz in dubiosen Milieus abgehandelt und schließlich mit AIDS bestraft wird. Insofern funktioniert „Bohemian Rhapsody“ als „Best-of“-Nostalgie-Jukebox der größten Queen-Hits. Aber B-Seite gibt es keine.

INFO: UK/USA 2018. 134 Min. Von Bryan Singer. Mit Malek, Lucy Boynton.

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