"Die größten Museen sind die Galerien"
Von Michael Huber
„A new nothing“, ein neues Nichts: Dieser leuchtende Schriftzug ist in einem Nebenraum der Galerie Crone in der Wiener Eschenbachgasse zu lesen. Die Künstlerin Carola Dertnig hat ihn geschaffen, noch bevor die Corona-Krise die Vernissage verhinderte und Kunstgalerien zum Zusperren zwang. Nun wirkt das Postulat vom „neuen Nichts“ plötzlich wie ein prophetisches Statement zur Lage des Kunstbetriebs.
Seit 14. April kann Dertnigs Ausstellung nach Voranmeldung wieder besucht werden – sind Galerien doch von der Regelung für Geschäfte unter 400m² Fläche erfasst. Derzeit treten sie aber weniger als Geschäftsflächen denn als Teile der kulturellen Infrastruktur hervor: Auch wenn Bundesmuseen nun doch beschlossen haben, Mitte und Ende Mai schrittweise wieder zu öffnen, bieten Galerien die einzige Option, Ausstellungen zu sehen. „Allein in Wien stellen Galerien tausende Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung“, sagt Andreas Huber, der den Wiener Crone-Standort leitet (es gibt einen weiteren in Berlin). „Das größte Museum sind eigentlich die Galerien.“
Galerien bieten Gelegenheiten zu intensiver Auseinandersetzung mit neuester Kunst, verlangen keinen Eintritt und leisten hinter den Kulissen jene Arbeit, die die Präsentation lebender Kunstschaffender in Institutionen erst möglich macht. „Leider ist es in Österreich so, dass die Tatsache, dass in Galerien Kunst auch verkauft wird, als verwerflich gilt“, sagt der Salzburger Galerist Nikolaus Ruzicska, der betont, auch Schulklassen in seinem Raum willkommen zu heißen – was aber selten passiere.
Weiße Wände
Auch Ruzicska hat seine Galerie wieder geöffnet, zu sehen sind aber nur weiße Wände: Werke des Hamburger Künstlers Henrik Eiben konnten nicht wie geplant transportiert werden. Am Dienstag sollen die Werke – unter Aufsicht des via Videokonferenz zugeschalteten Künstlers – nun gehängt werden. Wie alle Galeristen hofft Ruzicska dann auf Verkäufe. Denn ohne bleibt auch die Kulturträger-Funktion auf der Strecke.
Viele Galeristen, die aktuelle Kunst vermitteln, zählen derzeit auf die Loyalität ihrer Klientel. Durch Einsparungen bei Personal, Betriebskosten und bei der Kunstproduktion, die oft von der Galerie vorfinanziert wird, könne er eine Weile durchhalten, sagt Emanuel Layr, der eine Galerie in der Wiener Innenstadt betreibt (eine Rom-Dependance bleibt stillgelegt). Lange kann der Zustand aber nicht halten: „Das Runterfahren schlägt sich ja negativ auf viele Qualitäten nieder“.
Über die Frage, welche Qualitäten Galeriearbeit definieren, wird in der Szene weltweit diskutiert. „Die Räume werden sich ändern“, sagt die Galeristin Silvia Steinek, die in der Eschenbachgasse eine Gruppenschau mit Werken von Matthias Hermann und Renate Bertlmann zeigt. „Wir leiden unter hohen Mieten, und wir haben zuletzt hohe Kosten aufgebaut, weil wir alle immer noch mehr und mehr gebraucht haben“.
Übersättigung
Teilnahmen an internationalen Kunstmessen waren für viele heimische Galerien zuletzt wichtige Umsatzbringer, aber auch enorme Kostenfaktoren. Viele Messen fallen nun aus. Events, Vernissagen und Dinnerpartys, mit denen Galerien um Sammler buhlten, werden ebenso nicht weitergehen können wie bisher. „Vielleicht ist es aber eine positive Entwicklung, dass diese Bespaßung ein Ende hat“, sagt Nikolaus Ruzicska. „Es war doch eine totale Übersättigung da.“
Doch wer springt ein, wenn Event-Käufer wegfallen? In die 1970er und 80er Jahre, in denen sogenannte „Informationsgalerien“ durch öffentliche Subventionen teilweise von kommerziellen Zwängen entbunden wurden, will keiner der befragten Galeristinnen und Galeristen zurück. „Damals war das ein Modell, um überhaupt erst einen Markt aufzubauen“, sagt „Crone“-Galerist Andreas Huber. „Heute gibt es Sammler, die den heimischen Standort stärken. Der österreichische Sammler kauft auch in Krisenzeiten Kunst – das kann in den kommenden Wochen auch für den lokalen Markt entscheidend sein.“
Unterstützung vonseiten der Politik findet Huber eher in Form von gestärkten Ankaufsbudgets für Museen sinnvoll. Layr befürwortet einen starken Fonds für Kunstankäufe der öffentlichen Hand. Auch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Kunst auf 10 % und steuerliche Absetzbarkeit von Kunstkäufen sind oft gehörte Forderungen. Eine Erleichterung für Reiche sieht Galeristin Steinek darin nicht: „Da fühle ich mich eher belohnt für das, was wir leisten. Und es bringt allen was, denn Künstler und Galeristen sind ein Team.“