Kultur

Der letzte Tag als Burgtheater-Direktorin

Am Sonntag endet die Zeit von Karin Bergmann als erste Direktorin des Burgtheaters. Sie war 1986 mit Claus Peymann nach Wien gekommen – als Pressesprecherin. 2010 ging die Deutsche, 1953 in Recklinghausen geboren, in Pension, weil sie mit Matthias Hartmann, dem neuen Direktor, nicht konnte. Und im März 2014 kam sie wieder: Geholt vom damaligen Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ), der unmittelbar davor Hartmann gefeuert hatte.

KURIER: Wie war das 2014? Sie bekamen aus heiterem Himmel einen Anruf des Ministers?

Karin Bergmann: Zunächst gab es Sondierungsgespräche – mit Thomas Königstorfer, dem Geschäftsführer. Zudem meldeten sich viele Menschen aus dem Haus bei mir: „Bitte komm und übernimm!“ Es kann gut sein, dass sie sich auch bei Minister Ostermayer für mich stark gemacht haben. Dass ich ernsthaft zur Debatte stehe, wusste ich nicht. Ich hatte zu jenem Zeitpunkt ganz andere Sorgen – und musste das Treffen mit dem Minister Stunde um Stunde verschieben. Ich hatte auch nicht die Ambition, die Burg mehrere Jahre zu leiten. Ich dachte nur an eine Überbrückung. Und drei Tage später hörte ich mir bei der Pressekonferenz erstaunt zu, was ich alles machen werde.

Ostermayer stellte Ihnen Hermann Beil, den ehemaligen Co-Direktor von Peymann, als Berater zur Seite. Das kränkte Sie?

Ich habe lediglich angemerkt, dass man bei einem Mann auf einen Ratgeber verzichtet hätte.

 

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Sie kannten ihn bereits aus Bochum, wo Sie ab 1979 für Peymann arbeiteten. Hat Beil Sie nun tatsächlich beraten?

Wir hatten schöne Gespräche. Dass ich meinem eigenen Kopf hab’, ist doch klar. In Bochum habe ich viel gelernt, von Schauspielern wie Urs Hefti, Kirsten Dene, Johann Adam Oest und Gert Voss mindestens so viel wie von Peymann und Beil. Wir waren das Bochumer Ensemble. Wenn ich das nicht gehabt hätte, wäre ich sicher nicht so weit gekommen.

Die Burg war beinahe illiquid. Haben Sie sich nie gefragt: Wie soll mir das gelingen?

Das nicht. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es uns, Königstorfer und mir, so schnell gelingen könnte. Denn es gab ausschließlich Aufgaben, mit denen man sich unbeliebt macht. Ich musste jeden Groschen umdrehen, unangenehme Gespräche mit Ensemblemitgliedern und Regisseuren führen, auch wenn ich aus ökonomischen Gründen niemanden entlassen habe.

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Sie mussten auch mit Ihrem Vorgänger verhandeln. Denn eigentlich sollte Hartmann in Koproduktion mit den Salzburger Festspielen „Die letzten Tage der Menschheit“ inszenieren.

Es hatte vor der Kündigung eine „öffentliche Probe“ von Hartmanns „Der falsche Film“ gegeben. Ich wollte, dass die Produktion herauskommt. Aber ich holte mir eine blutige Nase. Denn Hartmann verlangte sein Regiehonorar (52.000 Euro, Anm.). Damit war für mich das Gespräch beendet. „Die letzten Tage der Menschheit“ waren eine riesige Baustelle: Es gab weder Bühnenbild noch Besetzung – vier Monate vor der Premiere! Aber das war nur ein Teil der großen Frage: Wie kriegt man möglichst schnell einen interessanten Spielplan mit ebenso interessanten Regisseuren hin?

Ihr Arbeitspensum muss enorm gewesen sein. Und Sie achteten darauf, dass praktisch jeden Tag „der Lappen“ hoch geht.

Das habe ich eben so gelernt. Ein paar Schließtage haben wir schon gebraucht. Ich habe nie eine Vorstellung abgesagt und 900 Zuschauer nach Hause geschickt, nur weil ein Hauptdarsteller nicht bei Stimme ist. Wir haben immer eine Lösung gefunden, oft mit großer Anstrengung aller Beteiligten.

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Warum war Ihnen wichtig, dass die Burg ausverkauft ist?

Höhere Einnahmen bringen eben auch eine größere Freiheit. Also schaut man, dass Geld in die Kassa kommt, damit man sich riskantere Projekte leisten kann. Auch sind die Schauspieler besser gelaunt, wenn sie vor vollem Haus spielen. Und das Burgtheater ist gebaut worden, um in dieser Größe zu bestehen. Das hat 130 Jahre mehr oder weniger gut funktioniert. Ansonsten hätte man ja, wie in anderen Theatern, Ränge gesperrt oder Sitzplätze entfernt. Warum soll man nicht weiterhin versuchen, das Haus zu füllen?

Sie schafften zuletzt unglaubliche 83 Prozent. Ihnen wurde vorgeworfen, auf die Quote zu schielen. Waren Sie getroffen?

Nein. Aber es stört mich, wenn man mir unterstellt, dass ich künstlerische Kompromisse gemacht hätte. Ich habe keine gemacht, sondern den Spagat versucht. Manche meinen, dass man, wenn man von Subventionen lebt, nicht an die Quote denken muss, dass man aus dem Vollen schöpfen kann. Aber das ist nicht meine Ansicht. Den Spagat habe ich geschafft, indem ich neben brisanten gesellschaftspolitischem Theater dem Publikum auch von Zeit zu Zeit eine schöne Komödie geschenkt habe, dafür in Luxusbesetzung.

Wie etwa „Das Konzert“. Welche risikoreiche Produktion hat Sie am meisten überrascht?

„Der Rüssel“ von Wolfgang Bauer ist sensationell gelaufen! Dass diese posthume Uraufführung solch eine Aktualität besitzt, hat mich wirklich überrascht. Und dass Ferdinand Schmalz mit seiner Jedermann-Neudichtung so eine knallharte Abrechnung mit dem Neoliberalismus gelungen ist! Oder dass „Antigone“ in Jette Steckels hochmusikalischer Inszenierung vier Jahre lang auf dem Spielplan stand.

Sie sind nun Ehrenmitglied – und stehen damit in einer Reihe mit großen Künstlern, aber auch mit Nationalsozialisten.

Mir war der Karl-Lueger-Ring immer ein Gräuel. Ich finde es gut, dass die Burgtheater-Adresse jetzt Universitätsring heißt. Aber ich halte nichts davon, aus der Ehrentafel Namen rauszukratzen. Die NS-Geschichte des Hauses ist exzellent aufgearbeitet. Man kann nicht mehr tun, als mit riesigem Erfolg „Mephisto“ zu spielen.

 

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Was würde Sie machen, wenn Sie doch noch zwei Jahre hätten?

„Die Nibelungen“. Aber wir haben ohnedies fast alles von dem, wovon ich geträumt habe, geschafft.