Burgtheater: Familienpackung Grusel bei atmosphärischer Poe-Oper
Von Guido Tartarotti
Die Aufführung beginnt mit dem vielleicht geschmeidigsten Beispiel subtiler Publikumsfolter, das wir seit Langem erlebt haben: 15 Minuten lang hämmern die Pianisten Tommy Hojsa und Josh Sneesby dissonante Akkorde in ihre Klaviere. Danach ist man schon so sehr in Gruselstimmung, dass einem Edgar Allan Poe auch nicht mehr schreckt.
„Der Untergang des Hauses Usher“, bereits bei der Ruhrtriennale zu sehen, ist weniger eine Dramatisierung, wie sie in letzter Zeit so beliebt ist, sondern eine Art szenischer Vortrag. Regisseurin Barbara Frey greift dabei auf fünf Erzählungen von Poe zu, neben „Der Untergang des Hauses Usher“ auch „Berenice“, „Das Feeneiland“, „Die Grube und das Pendel“ und „Die Morde in der Rue Morgue“.
Musik
Eine Handlung im klassischen Sinn gibt es nicht. Die sechs Darsteller und Darstellerinnen – bei der Premiere waren das Jan Bülow, Debbie Korley, Annamária Láng, Katharina Lorenz, Michael Maertens und Markus Scheumann – rezitieren Poe-Textausschnitte, manchmal im Chor, manchmal solo. Dadurch ergibt sich eine hoch musikalische, gruselige Poe-Oper, in der abgründig-fantastische Motive wie Dunkelheit, Verfall, Krankheit, Mord und lebendig begraben Werden immer wieder aufblitzen.
Im Werk von Poe geht es in Wahrheit immer um Angst – und dieses Gefühl wird hier nach Kräften heraufbeschworen.
Am stärksten ist diese Inszenierung, wenn sie tatsächlich Musik bietet: Die Darsteller interpretieren „Astronomy Domine“ von Pink Floyd, „The Chrystal Ship“ von The Doors, „Can’t Take My Eyes Off Of You“ von Frankie Valli und „Run From Me“ von der kanadischen Band Timber Timbre atmosphärisch, dicht und sehr unheimlich. Dazu dringen immer wieder Fetzen von Chormusik (Ruhrkohle-Chor) durch die verfallenden Wände von Martin Zehetgrubers düsterem Bühnenbild.
Mehrsprachig
Die Aufführung ist mehrsprachig (es gibt Übertitelungen), deutsch, englisch und ungarisch. Das verstärkt sehr schön den Eindruck des Mysteriösen, Bedrohlichen, nicht Fassbaren.
Ein wenig verliert die Inszenierung aufgrund der Tatsache an Kraft, dass sie im übergroßen Rund des Burgtheaters stattfindet – möglicherweise wäre das Kasino die bessere Spielstätte gewesen. Andererseits erzeugen die alles andere als dicht besetzten Reihen (auch das Burgtheater leidet unter dem Besucherschwund der Nach-Corona-Ära) und die eisige Luft (die Belüftung läuft virenbekämpfend auf Hochtouren) eine sehr passende frostige Stimmung.
Am Ende gibt es sehr freundlichen Applaus für knapp zwei Stunden Grusel in der Familienpackung. Fazit: Ein bemerkenswerter, interessanter, vielleicht zu wenig packender Abend.