Kultur/Buch

Dževad Karahasan: Willkommen in der Hölle

Ob er in der Hölle sein Vergil sein wolle, fragt Peter Hurd, Altphilologe und Mythenforscher, seinen Übersetzer Rajko, als er spontan beschließt, nach der Vorstellung seines Buches in Sarajevo zu bleiben. Es ist Ende März 1992 und in wenigen Tagen wird der Krieg beginnen. Die Stadt ist bereits im Ausnahmezustand. Kurz bevor Hurd in den Bus einsteigt, um sich auf die Heimreise zu machen, ändert er seine Meinung: Er will wie Dante in seiner Reise durch das Inferno die Hölle Sarajevos kennenlernen – wohl aus rein wissenschaftlichen Gründen. Rajko soll in führen, wie Vergil im Inferno. „Welcome to hell“, begrüßt ihn Rajko lakonisch. Ob er ihn führen kann, bezweifelt er, doch er willigt ein, den bewunderten Gast zu beherbergen. So ziehen die beiden durch die Stadt, deren Einwohner sich bereits im Extremzustand befinden. Hören der jungen Sängerin Lejla zu, die trotzig gegen den Krieg ansingt. Finden sich auf einer Hochzeit wieder, auf der der Bräutigam fehlt – er wurde kurz zuvor getötet, nur sein blutiges Hemd ist noch da, der Pfarrer vermählt die junge Witwe nun symbolisch. Begegnen unter dem Einfluss von Drogen Stehenden („Schwebenden“) und erleben mit, wie ein stadtbekanntes Faktotum von einer Granate buchstäblich in der Luft zerrissen wird. Hurd scheint all dem regungslos, mit reinem Forscher-Interesse zu begegnen. Doch der Krieg verändert auch ihn und er wird seine inneren Abgründe offenbaren müssen.

Dževad Karahasan, 1953 in Jugoslawien geboren, teilt seine Erinnerungen an die Belagerung Sarajevos, die er selbst miterlebt hat, selbstmitleidlos. Sein Erzähler bekennt jedoch: „Mir ist der Verlust meiner Stadt passiert.“

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