Prominent in der G’stättn
Von Barbara Beer
Draußen in Hadersdorf erinnert ein Gedenkstein im Wald an das Geburtshaus des Schriftstellers Heimito von Doderer. Vorübergehenden fällt er vielleicht gar nicht auf, weil Gatsch und Wurzelwerk einen aufmerksamen Blick nach unten verlangen. Noch dazu ist dort im Wald auch sonst denkmaltechnisch viel los, aber dazu ein andermal.
Doderer also. Wer einmal anfängt, seinen Spuren in Wien und Umgebung zu folgen, kommt aus dem Nachlesen gar nicht mehr heraus. Wolle man Wien verstehen, müsse man Doderer lesen, schrieb die deutsche Welt einmal. Zum Verstehen gehört zweifellos auch ein Besuch beim Blauensteiner in der Josefstädterstraße, Doderers Lieblingswirt, mit dem ordentlichen Namen „Zur Stadt Paris“ in seinem schriftstellerischen Universum verewigt.
Weit, weit außerhalb dieses Universums liegt seit 1970 die Doderergasse. Mitten in der Großfeldsiedlung, wobei „mitten“ hier der falsche Ausdruck ist. Damals war „mitten“ mitten in der G’stättn. Nun weiß man ja, warum gerade in optisch anspruchsarmen Gegenden Straßen nach bekannten Persönlichkeiten benannt sind: Weil meist nur in Stadtentwicklungsgebieten Platz für neue Namen ist.
Die Frage, ob die nach ihnen benannten Orte den jeweiligen Prominenten gefallen hätten, beschäftigt nicht nur das Redaktionskomitee der Wiener Ansichten, sondern hat nun auch eine Wiener Autorin zu einem Roman mit ziemlich schrägem Plot inspiriert. Nadja Bucher beschreibt in „Die Doderer-Gasse“ (erschienen bei Milena), wie der 1966 verstorbene Schriftsteller 1976 im Körper eines Mädchens aus der Doderergasse gleichsam wiedergeboren wird. Und den Architekten Adolf Loos trifft, ebenfalls gefangen im Körper eines Kindes – aus der Adolf-Loos-Gasse. Von der Großfeldsiedlung und dem Aufwachsen in den 1980ern sind weder Doderer noch Loos begeistert. Und dann beschuldigt der Schriftsteller den Architekten als Fan der Schnörkellosigkeit auch noch, geistige Vorarbeit für die karge Großfeldsiedlung geleistet zu haben. Arg!