Kolumnen

Smalltalk de Luxe: Man muss nicht immer diskutieren

Ich kann nicht!“ – Ich versuche es weiter: „Ach, komm’, ist doch nur ein kleines Sommerfest.“ – „Ich kriege Wallungen, wenn ich an 150 Menschen denke, die ich nur ein bisserl kenne, und mit denen ich brabbeln soll. Und das alles in mörderisch unbequemen Schuhen.“ – „Das nennt man Smalltalk.“ – „Und das ist auch schon das Problem: Smalltalk machen arme, kleine Frau große, viele Angst.“ C war in einen südosteuropäischen Akzent gefallen, eine Methode, die sie immer anwandte, wenn das Gespräch in ihr thematisch unangenehme Gewässer driftete. Tatsächlich war ihr präventiver Party-Schreck ein häufiges post-pandemisches Phänomen. Ich selbst ging auch wie auf seelischen Krücken, wenn im Zuge von beruflichem Tralala Promenaden auf der Amüsier-Meile anstanden. Seltsam: Über Monate hinweg hatte man sich selbst nach dem Küsschen-hier-Küsschen-dort-Natternparcours gesehnt, in dem immer die gleichen Satz-Partikel durch die Luft flogen und wieder schwirren: „Gut siehst du aus!“ (Subtext: „Hast du was machen lassen? Und wenn ja bei wem?“), „Du wirkst müde ...“ („Du solltest dir dringend was machen lassen ...“), „Wir sollten uns endlich wiedersehen, der Franzi kocht jetzt sogar ayurvedisch-vegan... (Subtext: „Komm nicht, es ist grauenvoll“) oder „Rufen wir uns nächste Woche z’sam?“ (Unterzeile: „Nimm’ das bitte nicht ernst, ich habe null Nerven für irgendwelche sinnlose Treffen.“) Bei ersten Ausflügen ins sozial bebaute Gebiet ist jedenfalls ein Thema so sehr zu vermeiden wie medizinische Bulletins („Meine Prostata hängt in den Seilen ...“), Asyl-Politik und Sonderangebote („Solche Ripperln um nix!“): Impfen. Und dabei sollte man vor allem die „Du, ich warte lieber noch zwei Jahre, das ist ja alles noch nicht erforscht“-Typen umschiffen wie der Teufel den Kirchenchor. Ich kann dann nämlich nicht versprechen, ob ich mein Anger-Management impulskontrolliert steuern kann. Und nein, ich will nicht darüber diskutieren.

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