Kolumnen

Paaradox: Von wegen Kaufrausch

SIE

Gab es je eine Doku über das seltsame Verhalten von Paaren im Supermarkt? Das wäre eine spannende verhaltensbiologische Beobachtung. Ich sage: Beides probiert. Einkaufen mit und ohne Mann, der mir als braver Packesel kaum mehr zur Verfügung steht. Sorry für die Bezeichnung, Liebster von gegenüber – aber, ehrlich: Als mehr hast du dich bei gemeinsamen Supermarktbesuchen nie empfunden. Du warst wie fast alle Herren ein Mix aus gestresst, genervt, rat- und orientierungslos. Nur an- und einpacken durftest du.

In meiner Mitte

Wenn ich heute als Solo-Shopping-Queen an den Regalen vorbeischlendere, bin ich in meiner Mitte und zufrieden. Weil ich Frauen und Männer beobachte, die sich über die Größe und Geschmacksrichtung von Essiggurkerln fetzen und darüber streiten, ob es nötig sei, „seltsame“ italienische Nudeln zu kaufen statt simpler Hörnchen. Schlimm ist außerdem, wenn er quer durch die samstägliche Einkaufsatmosphäre im Crescendo mit der Liebsten über Eiersorten und -größen diskutiert, weil der Gute – angesichts der enormen Auswahl – überfordert ist: Im Ernst jetzt, Gitti: Wenn ich mir von den Wanderhuhn-Eiern eine Eierspeis’ mach, bin ich dann schneller am Kahlenberg oben? Die Gitti schwieg und verkroch sich in der Abteilung Hygiene für Körper, Bad, WC. Ich entsinne mich, dass wir früher ähnliche Eskalationen erlebten. Etwa, wenn im Einkaufswagen Dinge landeten, die ich nie genommen hätte und einst vor den Kindern verstecken musste: Gummischlangen, Marshmallows, fette Knabberware. Diskussion! Schließlich dieses Zeugs an der Kassa, die von Marketingstrategen platzierte „Quengelware“ für die Kleinen. Da ging immer was, und wenn’s nur ein paar Zuckerln waren – als Beruhigungsquickie für die Mühen seiner Shoppingniederungen. Und vermutlich auch für seine leise Ahnung, dass ich (wie eh immer) was vergessen habe und er es (wie eh immer) sein wird, der erneut ins Einkaufsparadies durfte.

ER

Ich gebe es ehrlich zu: In völliger Einsamkeit und einer Art Trancezustand vor dem Sortiment von Gummis zu stehen und zu gustieren, ist auch eine Form des Lebensgefühls. Ehe jetzt ein gedankliches „Höhöhö“ einsetzt – ich schreibe selbstverständlich von Goldbären & Fröschen, Schlangen & Schwammerln, Pfirsichen & Kirschen. Es gibt mittlerweile so viele Varianten von kulinarischen Kaukunstwerken, dass ich mein Zeit-Management im Supermarkt neu ausrichten musste. Zumal niemand neben mir sagt: Ung’sundes Klumpert, gemma bitte weiter. Ich habe längst neue Wanderrouten durch die Regalwelt festgelegt. Ohne Zwischenstopps bei Dinkelflocken, Schwarzwurzel oder Granatapfel-Tee. Und nur in der Erinnerung an den Einkaufstag, an dem meine Frau in einem Anfall von Spontanität die Fruchtsaft-Vorräte in so großem Stil auffüllen wollte, dass ich als Träger keine Kraftreserven mehr für Bier und Wein hatte.

Das volle Wagerl

Als Solist käme ich eher auf die Idee, einen Essay über die außergewöhnliche Wuchskraft des Japanischen Staudenknöterichs zu formulieren als eine nach Warenanordnung präzise strukturierte Liste für einen Großeinkauf. Ich besorge grundsätzlich nicht mehr, als ich mir merken kann, allenfalls ergänzt durch die eine oder andere ungeplante Inspiration. Gnä Kuhn hingegen hält es für ökonomischer und sinnvoller, in längeren Intervallen der ihr selbst gestellten Frage So, was brauch’ ma alles? als Jägerin und Sammlerin Taten folgen zu lassen. Womit sie an der Kasse mit dem kaum noch manövrierfähigen Wagerl zu jenen Menschen gehört, hinter denen niemand stehen will. Meine Aufgabe war es dann immer, die rasant durchgepiepsten Sachen im annähernd gleichen Tempo bedachtvoll in Säcke zu verstauen. Was mindestens so stressig ist wie im Laufschritt schnell noch den vergessenen Germwürfel zu suchen. Und das schafft am Ende nur ein Mann, der brav seine Sportgummis auf einen Sitz verputzt hat.