Paaradox: Trio virale
Sie
Paragraf 1 unserer VWG lautete zuletzt so: „Wer es unterlässt, über das Programm des gemeinsamen Patschenkinos nachzudenken und nicht drei Liter Tee täglich trinkt, wird per Dekret zum Suppenkochen verpflichtet.“ Mag sein, dass Sie nicht ganz verstehen, was ich damit sagen möchte – ich ja auch nicht. Das ist diesem seltsamen Nebel geschuldet, den mir Madame Sars-CoV-2 ins Hirn gepfiffen hat. Er hat etwa zur Folge, dass ich Äpfel kaufe, obwohl ich Zitronen brauche, oder ich meine Socken in die Naschlade lege und die Schokolade ins Gemüsefach. Egal: Nebel kommt, Nebel geht.
Trilogie
Nun aber Licht ins Dunkel der Ereignisse: Der Mann gegenüber war so charmant und hat La Tochter und mich angesteckt. Deshalb lebten wir tagelang in einer „VWG“ – Virus-Wohngemeinschaft, auch „Trilogie von lahmen Enten“ genannt. Wir waren müde, verschnupft und husteten einander was, hatten es aber trotzdem lustig. Und jeden Abend schauten wir einen Film. Ein Knackpunkt, allerdings. Weil la Tochter und ich zum Genre „LL“ – für „leichte Liebeskomödie“ – tendierten, mit Schauplätzen in Paris, Venedig, Rom. Der Vater meinte dazu nur: Davon bekomme ich Stirnhöhlenprobleme. Seither wird er von der 23-Jährigen „Problembär“ genannt. Nun fühlte sie sich bemüßigt, uns allerlei deutsche Komödien vorzuschlagen. Die kennen wir schon alle, daher gab sie bald entnervt auf – mit den Worten „Zwei Problembären, also.“ Stimmt, der Eindruck täuscht nicht. Ginge es nach ihrem Vater, würden wir lieber Dokus im Stile von „Inside Borussia Dortmund“ und „Bolzplatzkönige – mein Weg zum Profi“ schauen. Oder „Cliffhanger – nur die Starken überleben“ mit sich selbst in der Hauptrolle und Silvester Stallone als Nebendarsteller. Schließlich einigten wir uns auf Disneys „Robin Hood“. Irgendwann, es war schon sehr spät, summten wir alle drei: Oo-de-lally, oo-de-lally, golly, what a day. Wie ich bereits sagte: Nebel kommt, Nebel geht.
Er
Meine Tochter, krank, ist bei meiner Frau, krank, eingezogen. Das hatte auf mich, krank, selbstverständlich Auswirkungen. Weil ich als männlicher Gastpatient von den zwei Frauen in demokratische Prozesse nur zum Schein – quasi aus einer Art familiären Verpflichtung heraus – eingebunden wurde. Herr Gustav, pumperlg’sund, war gegen die weibliche Phalanx leider keine Unterstützung, weil er für strategisch verabreichte Leckerlis vermutlich sogar auf eine Runde Hax’lheben verzichten würde. Gnä Kuhn hat die symbiotische Mami-Mädi-Firewall natürlich bestens vorbereitet. Indem sie vor lauter Freude, dass das gute Kind (hach, wie früher immer) umsorgt werden musste, die Geschütze eines Fünf-Sterne-Verwöhnprogramms auffuhr. Welche Bettwäsche hättest du denn gerne? Magst eine Kopfmassage? Soll ich dir einen Fruchtsalat mit deinen geliebten Nektarinen zaubern? Schon war die große, selbstständige Studentin die kleine, liebesbedürftige Maus von einst, die mit herzerweichenden Leidensblicken ihren Kuraufenthalt aus der Kategorie „Betreutes Gesundkuscheln“ genoss.
Keiltreiberei
So jemand stellt sich dann natürlich bei den wichtigen Fragen des Lebens („Was essen wir? Was schauen wir? Wer geht Gassi?) niemals gegen die Superdupermutter. Stattdessen wurde ich vom Duo Infernale mitleidig belächelt. Als ich im Heimkino nämlich bei der Film-Frage vor die Wahl zwischen Liebeskomödie, Liebeskomödie oder Liebeskomödie gestellt wurde und drohte, mich aus Protest am Fernseher festzukleben. Michael, sei nicht kindisch, sagte die Frau. Papi, du bist echt so lost, sagte die Tochter. Ich versuchte, durch Erinnerungen an die Zeit der Pubertät samt weiblicher Dauerfetzerei mit wechselseitigen Androhungen des sofortigen Auszugs, einen Keil in die Allianz zu treiben. Vergeblich. Die beiden Frauen knusperten in seliger Harmonie an ihren Reiswaffeln. Also tat ich, was Clint Eastwood auch getan hätte – lässig schweigen.