Paaradox: Herbststimmung
Sie
Es regnet, und möglicherweise bin ich es, die daran schuld ist. Nachvollziehbar, der Mann nebenan ist ziemlich schlecht aufgelegt, weil nix mehr geht: Der Boden ist zu nass für einen Waldlauf, die Golfrunde oder ein Picknick mit Braten und Bouteille. Also zieht er ein Schnoferl und sich selbst zurück: Hm, irgendwie fühle ich mich nicht so wohl in meiner Haut. Wenn ich die Augen nach links drehe, tun sie weh. Wenn ich den Nacken nach rechts vorne beuge, spüre ich so ein komisches Ziehen… Stimmt, ich könnte nun investigativ nachhaken, und ihn fragen, was die Augen konkret machen, wenn er sie nach rechts dreht oder sie ein bisserl schließt, statt sich von einer Gruselserie zur anderen zu hanteln. Oder was mit dem Nacken passiert, wenn er im Smartphone nicht stundenlang nach Dingen scrollt, die er gemäß 2-W-Gesetz Wirklichwichtig und Dringlichkeitsstufe Jetztsofort! nachlesen muss.
Grant-Skala
Das unterlasse ich allerdings, man möchte ja nicht, dass die nach oben offene Grant-Skala vollends eskaliert. Deshalb bin ich ihm auch bei seiner Suche nach einer warmen Haube und Gackisackerln behilflich als er beschließt, mit Hund Gustav ... eine Gassirunde, muss ja sein… zu drehen. Das, naturgemäß, nicht ohne schwere Seufzer als Backgroundgeräusch und jenem speziellen Blick, in dem ein ganzes Gebirgsmassiv an Vorwürfen und Ich hab’s gerade so satt-Schwingungen abzulesen ist. Vermutlich ist es aber eh nur das bekannte Äußerln-gehen-Augi-Weh. Und während er durch den Regen schlurft, beschließe ich, das Abendessen heute auf einer Picknickdecke im Wohnzimmer zu servieren, mit Ausblick auf den Fernseher und einem Youtube-Video zu den „besten Fußball-Momenten aus 1.500 Jahren“. Frei nach dem Kalenderspruch: Liebe ist, was man daraus macht.
Termine: 22. 10., 18 h, KURIER-Studio Pods&Bowls, 1070, Mariahilferstr. 10; 24. 10, 1. & 22.12. Rabenhof; 13. 11. Bettfedernfabrik, Oberwaltersdorf
gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60
Er
Regen. Und Regen. Und Regen. Herrn Gustav ist das Wetter völlig wurscht. Er gehört nicht zu jenen Hunden, die in Anbetracht nasskalter Verhältnisse mit leidendem Blick die Straßen entlangschleichen und ihr Hax’l nur als Zeichen des Widerstands gegen eine große Weltverschwörung heben. Im Gegenteil, er trippelt, schnuppert und markiert auch im strömenden Regen, als gäb’s kein Morgen. Und so denke ich auf meinen nächtlichen Runden gerne über den Begriff Würde nach … wenn ich mich mit Schirm, Charme und Parole („Jetzt mach’ endlich!“) im Rinnsal bücke. Um als Fürst der Finsternis umständlich die Taschenlampe des Handys zu aktivieren, weil ich sonst nicht finde, was ins Sackerl gehört.
Aus der Balance
Dass man als derart begossener Pudel Aug’ in Aug’ mit den miesen Launen des Herbstes durchaus ein bisserl aus der Balance kippen kann, versteht jeder. Aber nicht jede. Zumindest meine Frau ordnet meine Stimmung, die zwischen Groll und Gram oszilliert, in die ironische Kategorie Jössas, armer schwarzer Kater ein. Daher sagt sie auch nicht: Ui, da draußen ist es grauslich, aber ich begleite Herrn Gustav trotzdem. Sondern: Ui, da draußen ist es grauslich, aber das schaffst du schon, Schatzi. Und dünstet derweil Brokkoli, wohl wissend, dass mir dieser Geruch die Flucht aus dem Domizil erleichtert. Nach erfolgreicher Beendigung des Gassigehens ist das Gemüse-Odeur zwar noch immer da, aber ich habe in der Zwischenzeit die Gemütsstufe „Auch schon wurscht“ erreicht. Dennoch verweise ich auf mein Unwohlsein, was gnä Kuhn den mitfühlenden Kommentar entlockt: Kenn’ ich. Na dann. Warte ich halt auf schönere Tage und offenbare der Liebsten: „Es gibt ein Zitat, das lautet, die Sonne ist die Universalarznei aus der Himmelsapotheke.“ Aber sie sagt nur: Kenn’ ich.
Termine „Abend mit einem Mannsbild“: 16. 11., Göppingerstüberl, Babenbergerhalle; Klosterneuburg; 20. 11., Bad Fischau
michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9