Kolumnen

Paaradox: Der Krapfen-Deal

SIE

Fünf Krapfen auf einen Schlag, genauer: Bissen. Das kann er beinahe, der Mann gegenüber. Ich weiß das, seit ich ihn kenne. Trotzdem versetzt es mich immer wieder von Neuem in Erstaunen, wie er mit einem Sonntagsjausen-Schachterl vom Krapfenmacher seines Vertrauens in mein Leben spaziert, den Sechser-Karton auf dem Esstisch platziert und sagt: „Einer für dich, der Rest für mich.“ Und während ich in meinem Stück vom Glück noch verzweifelt herumsuche, um endlich einmal gleich beim ersten Bissen dieses besondere Gefühl von in Marillenmarmelade versinkenden Geschmacksknospen zu erleben, beginnt er, den dritten Krapfen zu inhalieren. Mampf! Einfach so. 

Marmeladentreffer

Da ist er – im Gegensatz zu mir – ein Glückspilz. Jeder Bissen ein Marmeladetreffer – direkt in den wunderbaren Marillengatsch hinein. Und ich? Ich  lande stets im Trockenen. In meinem Blick liegt dann ein Hauch Neid, was ihm nicht verborgen bleibt. Dann grinst er provokant und sagt: „Saugeil!“ Schnappt sich das nächste Stück, sieht mich an und meint: „Ha! Du hast Zucker auf der Nase.“ Diesmal aber überraschte er mich beim gemeinsamen Naschen. Er sprach: „Pass auf, jetzt werde ich dir gleich meine besondere Liebe beweisen.“ Ich verstand nix und überlegte, ob er nun mit seinen Zähnen ein Herz aus dem Germ-Rund knabbern wird. Nein, stattdessen hielt er mir die Krapfen Nr. 5 und 6 vor die Nase und erklärte: „Schau! Da, exakt an dieser Stelle, musst du reinbeißen, dann landest auch du im Marmeladenglück. Das genießt du, den Rest gibst mir.“ Schön. Gleichzeitig dachte ich darüber nach, was hinter der großzügigen Geste des Faschingsprinzen stecken könnte. Dieses Grübeln gab ich aber zügig wieder auf, eingedenk der  viel besseren Idee, mich am Hier und Jetzt zu erfreuen – mit allem, was es an Marmeladenseiten zu bieten hat. Selbstverständlich mit Zucker auf der Nase.     

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ER

Es gibt ja auch nach sehr vielen gemeinsamen Jahren immer wieder Überraschungen. So musste ich vergangenen Sonntag erkennen, dass meine Frau tatsächlich nicht weiß, an welcher Stelle eines Krapfens man zubeißen muss, um augenblicklich im Marmelade-Glück zu landen. Wiewohl sich das rasch relativiert, weil es garantiert noch nie einem Menschen gelungen ist, dieses Kunstwerk zu vollbringen, ohne nachher klebrige Hände zu haben. Was einem Pick-Phobiker wie mir, der das als Zusatzartikel im Honigbrot-Gesetz verortet, die Freude ein wenig trübt. Tatsache ist, dass ich gnä Kuhn allen Ernstes zeigen musste, dass man bei genauer Inspektion des Krapfens das oft gut versteckte Loch als Indiz für die Befüllung entdeckt. Ja, so banal kann ein Ehe-Leben sein. Sie, die sich am PC so lange hartnäckig durch ein Betriebssystem navigieren kann, bis sogar die Funktion zur Selbstzerstörung im Fall einer Alien-Invasion installiert ist, hat den Marmelade-Biss jahrzehntelang zur unbeeinflussbaren Schicksalsfrage erklärt. 

Der Biss-Deal

Ich gebe zu, dass ich dieses monumentale Bäcker-Geheimnis mit einem Quantum Triumphgefühl gelüftet habe. Gelegentlich tut es durchaus gut, nicht zu hören: Geh’ bitte, das weiß doch jedes Kind. Und so hatte ich auch kein schlechtes Gewissen, als ich ihr in Anbetracht des Krapfen-Sixpacks die (rhetorische) Frage stellte: „Reicht dir einer, oder bestehst du auf einen zweiten?“ Erst als sie mir zu verstehen gab, dass sie ausgerechnet diesmal besonders großen Appetit hätte, schlug ich sicherheitshalber den Biss-Deal vor. Weil, ehrlich: Drei Krapfen essen ist für mich wie keinen essen. So wurden es am Ende viereinhalb plus Besserwisser-Bonus – das ist akzeptabel. Sie wiederum stellte später ein Foto von der Krapfeneinstichstelle in den Großfamilien-Chat und beschrieb das Marmelade-Wunder. Was ein bisserl sonderbar erscheint, mich aber sicher sein lässt: Kluge Aliens werden uns eher meiden.

Unser nächster Termin: Lesekabarett „Schatzi, geht’s noch?“, 12. März, St. Pölten, Bühne im Hof

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