Paaradox: Das Augenrollen
Sie:
Gnä Mutterkuhn chauffiert la Tochter. Leises Murren: Warum fährst du so langsam? Ich: Weil hier nur 30 km/h erlaubt sind?! Daraufhin la Tochter: Urzach. Der Papa fährt hier immer schneller. Ich hab’s eilig, kannst du es nicht so wie der Papa machen? An dieser Stelle habe ich folgenden Gedanken: Lass sie den Rest der Strecke zu Fuß gehen, dann frag’ den Mann nebenan, ob er einen Kolbenreiber im Hirn hat.
Was ist mit dem?
Stattdessen bleibe ich besonnen und meine nur: Hm, vielleicht kommt dir das so vor, weil der Papa ein größeres Auto hat und es so wirkt, als würde er schneller sein. Sie: Ja, eh, so wird’s wohl sein. Im Seitenspiegel sehe ich, wie sie die Augen rollt. Rache? Kann ich! Ich fahre den Rest der Strecke mit 25 km/h, wurscht, ob der hinter mir – vermutlich noch so ein „Papa“ – hupt. Den Rest des Tages bin ich zornig. Würde ich es nämlich immer „so wie der Papa machen“, gäbe es daheim nur mehr Ketchup, Toastbrot und fette Cocktailsoße zu essen, doppelt so viele Strafmandate für Geschwindigkeitsüberschreitungen, verbotenes Parken in zweiter, dritter oder gar keiner Spur sowie eine Weißmehlproduktflut, die nur durch die prall gefüllte Naschlade mit diversen Plombenreißern getoppt wird. Und das willst du wirklich? höre ich mich im Geiste la Tochter anbrüllen. Abends sitzen wir friedlich bei Tisch, und noch bevor meine Mitbewohner die Gabel ins Essen tauchen, rufen beide: Das Salz bitte! Und ich sehe zu, wie Vater und Tochter eine bereits versalzene Speise salzen, ohne vorher gekostet zu haben. Ich sage nix und denke mir nur: Ätsch, so ist das, wenn man alles wie der Papa machen möchte. Dann frage in die Runde: Na, Ihr Hasen, schmeckt’s ?
PAARADOX NEU: 15. 3. Bruno, 16. 3. Kottingbrunn, 22. 3. Bühne im Hof, St. Pölten, 29. 3. Bad Fischau.
Alle Termine: paaradox.at
gabriele.kuhnfacebook.com/GabrieleKuhn60
Er:
Stimmt. Manchmal, wenn ich es eilig habe, rase ich mit 33 oder gar 34 km/h durch die 30er-Zone. Aber diesen Geschwindigkeitsrausch hat meine Tochter selbstverständlich nicht gemeint, als sie erkannte, dass gnä Mutter im Vergleich zu mir eine Schleicherin ist. Die Wahrheit ist oft so simpel. Heißt im konkreten Fall: Im Unterschied zu meiner Frau nehme ich das Schild wahr, das nach einer Bodenschwelle steht und das 30er-Limit aufhebt. Sie indes beschwört auch am Steuer stets ihre buddhistische Gelassenheit und merkt gar nicht, dass ihr bereits halb Wien als Kolonne hinterher zuckelt. Lieber murmelt sie asiatische Lebensweisheiten wie Wenn du es eilig hast, geh’ langsam (Konfuzius) vor sich hin. Und in dieser sonderbaren Welt der Autosuggestion sind 50 km/h, so erlaubt sie auch längst sein mögen, natürlich völlig überbewertet.
Kratzen am Mythos
Aber das ist nur ein Beispiel von sehr vielen, warum ich froh bin, nicht dabei zu sein, wenn die Liebste am Lenkrad der Zeit dreht. Und da es dem guten Kind offensichtlich auch so geht, wird mehr oder weniger subtil am Papa-Mythos gekratzt. Aber ... würden wir es im gemeinsamen Alltag noch mehr „so wie die Mama“ machen, als wir das eh tun, müssten wir für jedes entdeckte Hundehaar abwechselnd 53-mal am Tag den Turbo-Staubsauger anwerfen; müssten wir während des TV-Thriller-Showdowns augenblicklich klären, was wir der Traudi-Tant’ zum 80er schenken; müssten wir jedes winzige, alte Brotscherzerl einfrieren, damit es mit den anderen 37 Brotscherzerln in unserer Tiefkühltruhe Spaß haben kann. Ganz ehrlich, da gönne ich mir lieber einen versalzenen Wok.
Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 18. 5. Gmunden (Stadttheater), 21. 5. Wien (CasaNova)
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