Kolumnen

Johannas Fest: Spenden statt Schwelgen

Linda und Staphan kommen aus Schweden und leben seit zwei Jahrzehnten in Wien. Schon zu Jahresbeginn hatten uns die beiden gemeinsam mit fünf weiteren Paaren zum Heringsschmaus eingeladen. Unsere leidenschaftlichen Gastgeber feiern die Feste sowohl wie sie in ihrer alten als auch in ihrer neuen Heimat fallen. Am Aschermittwoch kredenzten die beiden traditionell, was Fluss, See und Meer an Köstlichkeiten zu bieten haben.

Der Tisch im mit üppigen Blumenarrangements geschmückten Esszimmer bog sich fast unter der Last des Smörgåsbord (wörtlich übersetzt: Butterbrot), wie das festliche Buffet in Schweden heißt. Abgesehen von drei verschiedenen Heringssalaten gab es unter anderem Austern, geräucherte Sprotten und Makrelen, Graved Lachs, Forellenkaviar und Aal, Kabeljau, Krabben und Hummer. – Was für ein Hochgenuss für Fisch- und Meerestierliebhaber!

Eigeninitiative

Drei Tage nach dem Überfall auf die Ukraine unterbreitete uns Staphan eine „Kurskorrektur“. Er wolle uns zwar nicht ausladen, aber ausgelassen feiern, als wäre nichts geschehen, sei angesichts der erschütternden Geschehnisse wohl auch nicht angesagt. – Sein Plan: Statt wie gewohnt im Luxus zu schwelgen, sollten wir zu einem ganz schlichten Heringssalat zusammentreffen.

Es würde auch kein Champagner fließen, sondern Bier. Den Differenzbetrag zwischen dem geplant opulenten Mahl und der abgespeckten Version wollen Linda und er spenden und was wir sonst für Gastgeschenke ausgeben, sollte ebenfalls zur Unterstützung an die Notleidenden im Kriegsgebiet gehen. Und statt der launigen Trinklieder, die sonst zu jedem Schluck Aquavit („Das Wasser des Lebens“) gesungen werden, könnten wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir außer mit Geldspenden rasch und unbürokratisch helfen könnten.

Mit von der Partie waren am Aschermittwoch Michael und seine aus der Ukraine stammende Frau Olga. Der Unternehmensberater hat mehrere Jahrzehnte als Topmanager für österreichische Industrieunternehmen und Banken in ostslawischen Ländern gearbeitet. Als Putin die Heimat seiner Frau überfiel, ließ er sofort deren Eltern und Schwester nach Wien kommen, rief Wiens Bürgermeister an, der in der Folge leer stehende Wohnungen für Flüchtlinge zusagte, und erwirkte mit seinem persönlichen Draht zum Vorstand eines Handelsriesen mehrere Lkw-Züge voller Lebensmittel-Spenden für die notleidende Bevölkerung im Kriegsgebiet.

Das beflügelte auch die Ideen der übrigen Heringsschmaus-Gäste. Ein Paar wird sein Wochenendhaus für ein paar Monate zur Verfügung stellen, ein Gast hat gute Verbindungen zur Kirche und will sich für die Öffnung leer stehender Klöster einsetzen.

Mein Mann und ich laden Ende März zu einem ukrainischen Abend. Olga wird das Nationalgericht Vareniki, gefüllte halbmondförmige Teigtäschchen, zubereiten. Und sie und ihre Eltern werden unseren interessierten, spendenbereiten Freunden mehr über die Kultur und den Alltag ihrer Heimat erzählen. Unsere Bekannte Andrea lädt Olgas Vater zu einem Vortrag in ihren Rotarier-Klub ein, wo anschließend ebenfalls gesammelt werden wird.

– Glamouröse Charity-Events sehe ich generell eher skeptisch, weil die Relation von Aufwand und Spenden- Ergebnis meist mehr als dürftig ist. Auch was bei unserem Heringsschmaus zusammenkam, verändert zwar nicht die Welt. Aber immerhin kam ein Betrag zusammen, der mehr als zehn Monatseinkommen von Beziehern einer ukrainischen Durchschnittspension entspricht.