Kolumnen

Chaos de luxe: Mamacholie

Das Kind ist von knochentrockener Unsentimentalität. So in der Ich-lebe-in-Berlin-und-Wien-ist-so-random-Mood. „Weißt, du Schatzi, dass wir uns fünf Monate nicht gesehen haben?“ – „Ist mir noch gar nicht so lange vorgekommen.“ – „Wann kommst du im Sommer?“ – „So sehr keine Ahnung.“ – Ich beschließe mich an Amy Schumer zu halten, die über das Showbiz das sagte, was in Wahrheit auch auf die Mutterschaft anzuwenden ist: „Du bist mächtig in diesem Geschäft, wenn du cool bist, aber du bist noch viel mächtiger, wenn dir alles egal ist.“ Ich muss noch ein bisschen üben. Und erinnere mich mit kleiner Wehmut an all die Salzteig-Herzen, die wie Killerwürmer ausgesehen haben, die selbst gemalten Seidenschals, die man natürlich auch im bebauten Gebiet tragen musste, um das Kind nicht zu kränken, und die Gedichte, die ein dem Ständestaat entrissenes Frauenbild atmeten: „Liebe Mutter, du putzt und wäscht so brav – danke, dass ich bei dir sein darf.“ Dann kam die Zeit, wo der Fortpflanz demonstrativ den Mutterbeglückungsvormittag verpennte, bis man ihr mit viel Furor einen bombastisch geschäumten Kaffee mit Kakao-Herzchen servierte und dazu brüllte „Für die empathischste Tochter der Welt!“ Und man nur ein gelangweiltes „Chill dein Leben!“ zurück bekam. Möglicherweise war das auch die gerechte Strafe, denn ich war keine von diesen Muttertypen, die ihrem Fortpflänzchen noch schnell ein Regenbogen-scheißendes Einhorn-Kostüm für das Faschingsfest zauberten und davon faselten, dass die Mutterliebe quasi der Maybach unter allen Gefühlen sei. Als ich meiner Mutter im Paläozoikum erzählte, dass ich schwanger bin, sagte sie nur: „Na bravo! Du wirst das Kind entweder im ,Engländer’ oder im Taxi vergessen.“ Ich war zum damaligen Zeitpunkt nicht fünfzehn, sondern dreißig Jahre alt. Das „Engländer“ ist bis heute mein Stammcafé. Mittlerweile sind wir eher soweit, dass das Kind mich im Engländer vergisst. Aber was ist schon Gerechtigkeit?

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