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Noch einige Hausaufgaben zum Geburtstag

"Wo waren Sie am 9. November 1989? Die meisten doch einigermaßen Über-30-Jährige verbinden mit dem Datum des Falls der Berliner Mauer zumindest die eine oder andere Erinnerung.
Und was verbinden Sie mit dem 20. November des selben Jahres?"

So leitete Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez vom Netzwerk Kinderrechte das Mediengespräch am Dienstag ein.

Dieses Datum ist wahrscheinlich wenigen geläufig. An diesem Tag beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention. In 42 inhaltlichen Artikeln wurden Rechte festgelegt, die allen Kinder dieser Welt zustehen sollen – solche, die ihr Leben schützen, aber auch solche, die ihnen gewährleisten, selber mitreden zu dürfen. In weiteren 12 Artikeln beschloss die UNO, dass und wie sie sich drum kümmern wollen, dass diese Rechte eingehalten werden. Dazu wurde – erstmals in einer Konvention – ein Verfahren festgelegt, dass alle Ländern regelmäßig überprüft werden, wieweit sie die Kinderrechte einhalten und wo sie (noch) säumig sind.

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Ganz gut, aber …

Sicher, in Österreich werden keine Kinder versklavt, müssen nicht arbeiten, dürfen in die Schule gehen… Und dennoch zeigen sich – so das Netzwerk Kinderrechte und die BundesJugendVertretung bei einem Mediengespräch eine Woche vor dem Geburtstag – ein paar Punkte, in denen Österreich (noch) sozusagen Hausaufgaben zu machen hätte. Die Abschlussprüfung in Genf erfolgt dann Ende Jänner des kommenden Jahres.

Auf eine Vorprüfung vor einigen Monaten hatte die österreichische Regierung eher allgemeine Antworten geschickt. Das Netzwerk Kinderrechte, in dem sich schon vor vielen Jahren fast vier Dutzend Organisationen der Zivilgesellschaft aus diesem Bereiche zusammengetan haben, hat einen Tatsachenbericht erstellt. Und dafür auch mehr als 500 Kinder und Jugendliche selbst befragt.

Die größten Herausforderungen

  • Kinderarmut
  • (noch immer) Gewalt an Kindern sowie
  • Etliche Bereiche, in denen Gleichheit und Gelichberechtigung für alle Kinder noch (lange) nicht umgesetzt ist

Gerade im erstgenannten Bereich stellt das Netzwerk Kinderrechte leider auch Rückschritte fest. Durch die Abschaffung der bedarfsorientierten Mindestsicherung und den Übergang zur Sozialhilfe Neu wird Kinderarmut sogar verstärkt.

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Kindergrundsicherung

Hier fordert das Netzwerk vor allem eine Art Kinder-Grundsicherung und beruft sich – laut Caroline Pavitsits, eine der Vorsitzenden der BundesJugendVertretung auf eine Erhebung der Österreichischen Volkshilfe gemeinsam mit der Schuldnerberatung im Vorjahr. Vorgeschlagen wird dabei ein monatlicher Grundbetrag von 200 € (der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ersetzen würde).

Dazu käme ein einkommensgeprüfter Anteil von bis zu 425 €. Diese Höhe würde allen Familien zukommen, deren Einkommen unter 20.000 € liegt. Ab dann würde sich dieser Betrag verringern – bis zu einer Obergrenze von 35.000 € jährlichem Einkommen.

Die Kindergrundsicherung wird übrigens – wie es die Kinderrechtskonvention aber auch die Jugendwohlfahrt verlangt – für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft gefordert.

Die durchschnittliche Höhe, so diese Berechnung, würde bei 334 € liegen, die Gesamtkosten wurden mit 600 bis 700 Millionen € berechnet. Damit würde es nicht mehr wie bisher 324.000 armutsgefährdete und 130.000 in manifester Armut lebende Kinder und Jugendliche in Österreich geben. Auch wenn natürlich die Armut in Österreich nicht vergleichbar ist mit jener in Ländern wo Kinder hungern oder arbeiten müssen und nicht in die Schule gehen können, so sind die betroffenen Kinder sehr oft von vielen Aktivitäten anderer Kinder ausgeschlossen, haben obendrein oft den Stress, sich Ausreden einfallen zu lassen, weshalb sie nicht mitfahren können auf Projektwoche, weshalb sie keine anderen Kinder einladen können oder nicht zur Geburtstagsparty anderer gehen, weil die Familie kein Geld für ein Geschenk locker machen kann usw.

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Jede/r soll gleich viel wert sein

„Dass jeder gleich viel wert ist, egal ob sie Geld haben oder nicht“, meinte etwa Luca (14) im Rahmen der Umfrage bei Workshops. An diesen hatten 536 Kinder und Jugendliche in acht Bundesländern Anfang dieses Jahres teilgenommen.

Gewaltschutz

Ebenfalls 1989 wurde in Österreich das Gewaltschutzverbot in der Erziehung gesetzlich beschlossen. Und dennoch erleiden noch immer Kinder und Jugendliche Gewalt – körperliche und psychische – zu Hause, aber auch in Einrichtungen.

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Eingeschränkte Mitbestimmung

Geht es in diesen Bereichen vor allem um Schutz für Kinder (im Sinne der Konvention bis 18 Jahre), so beinhalten die Kinderrechte auch solche auf Mitbestimmung. Partizipation wird sogar staatlicherseits nicht allen – in dem Fall vor allem Jugendlichen – zugestanden. Österreich wurde schon in früheren Berichten dafür gelobt, mit der Senkung des Wahlalters auf 16 sogar eine Vorreiterrolle übernommen zu haben. Aber, so die Kritik, mehr als 40.000 Jugendliche (16 bis 18 Jahre) sind davon ausgeschlossen, dieses wichtige Instrument der Mitbestimmung in einer parlamentarischen Demokratie nutzen zu können, weil sie nicht österreichische Staatsbürger_innen sind, obwohl sehr viele von ihnen hier geboren wurden und aufwachsen. Und das ist immerhin jede/r Sechste in dieser Altersgruppe.

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Video und Workshops

Gleichheit auf allen Ebenen ist vielen Jugendlichen ein besonders starkes Anliegen. In der Steiermark haben einige dazu sich eine Geschichte einfallen lassen und ein Video gedreht, das sie dem Kinderrechte-Ausschuss in Genf geschickt haben, wo es mit den Unterlagen des ergänzenden Berichts des Netzwerks ebenso behandelt wird wie die Regierungs-Stellungnahmen.

Sie sei ziemlich schockiert gewesen, erst im Alter von ungefähr 17 Jahren zum ersten Mal erfahren zu haben, dass es überhaupt Kinderrechte gibt, erzählt Alicia Otter (18) dem Kinder-KURIER in einem Telefon-Interview. Die Grazerin war eine jener Jugendlichen, die gemeinsam ein Video drehten, das das Netzwerk Kinderrechte nach Genf schickte – als Statement von Jugendlichen.

Sie habe zuvor an Filmworkshops von beteiligung.st (Fachstelle für Kinder-, Jugend- und BürgerInnenbeteiligung) teilgenommen und sei dann für dieses Videoprojekt angesprochen worden. „Wir haben uns dann im Team, wir waren sechs Jugendliche, zusammengesetzt und haben diskutiert, zu welchem der Kinderrechte wir was drehen wollen. Bildung war uns wichtig, aber auch Privatsphäre und das Thema Chancengleichheit, Vorurteile, Druck und Stress, was die Gesellschaft oder dein Umfeld von dir erwartet und dir dann oft keine Chance mehr lässt, selber eine Wahl über deinen (Lebens-)Weg zu treffen…“

Letztlich entschied sich die Gruppe für den zuletzt genannten Themenbereich. „Dann hat jede und jeder zuerst einmal für sich ein Drehbuch geschrieben und daraus haben wir dann die Idee zu unserem Video entwickelt.“

Die jugendliche Crew castete andere Jugendliche. Die stehen nun auf der Laufbahn einer Sportanlage. Eine Art Checkerin kommt mit T-Shirts auf dem Arm, begutachtet oberflächlich die zum Lauf Antretenden – nur nach Äußerem und Geschlecht. Aufgrund dieses „Eignungstests“ wirft sie ihnen Leibchen mit Berufsbezeichnungen zu – von der Krankenschwester bis zum Kameramann, vom Piloten bis zur Kindergärtnerin…

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Das Know How der Filmer_innen floss durch die Workshopreihe Film beTEILigt mit Jakob M. Erwa in die Produktion ein. Dieser kurze Film ist im Auftrag des Netzwerks Kinderrechte Österreich mit finanzieller Unterstützung des Bundeskanzleramts, Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend entstanden.Verantwortlich für die Koordination und Durchführung war www.beteiligung.st

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Meinung von mehr als 500 Kindern und Jugendlichen

Neben dem rund 2 ½-minütigen Video gibt es auch eine Broschüre, die zusammenfasst, was 536 Kinder und Jugendlichen in Workshops zu Kinderrechten besonders wichtig war. Dabei wurden sie auch befragt, wo sie meinen, dass noch am meisten zu tun ist. Der Bereich Gleichheit steht mit 41 % Nennungen an der ersten Stelle, gefolgt von Privatsphäre (40 %), Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (39%), Spiel und Freizeit (38 %) sowie freier Meinungsäußerung, Information und Gehör (33 %).

Informationen

Um auch zum Eingangs-Statement zurück zu kommen, ortet das Netzwerk Kinderrechte natürlich auch einen Mangel an Informationen über Kinderrechte. Jedes Kind, aber natürlich auch all jene, die mit Kindern zu tun haben – von Eltern bis zu Pädagog_innen – sollten davon wissen, dass Kinder eigenständige Menschen sind, die eigenständige Rechte haben. Auch jenes auf Persönlichkeitsschutz. Zwei Jugendliche aus Kärnten, Anna Weratschnig und Marina Hribernig, die in ihrer Schule ein ausführliches Projekt zu Kinderrechten gemacht hatten, waren auch mit in Genf bei der Anhörung des Netzwerks durch UN-Vertreter_innen. Sie selbst sind angehende Kindergärtnerinnen und versuchen, wie sie dem KiKu berichten, in ihren Praxis-Einsätzen möglichst oft Kinder in Entscheidungen miteinzubinden.

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Eltern machen Stress

Defizit orten sie vor allem beim Wissen von Eltern. So posten sie Fotos nackter oder kranker Kinder und verletzen damit deren Persönlichkeitsschutz. Außerdem überschütten so manche (Helikopter-)Eltern ihre Kinder noch dazu mit totalem Freizeitstress. Ohne die Kinder zu fragen, ob sie diesen oder jenen Sport, Kurs oder was auch immer wirklich machen wollen, werden die „Kleinen“ eingeteilt. Obendrein hätten Kinder auch das Recht auf elterliche Fürsorge, also Zeit mit ihren Müttern und Vätern. Vor allem letztere, so die beiden angehenden Kindergärtnerinnen, sollten Papa-Monat und Väterkarenz in Anspruch nehmen, um die Bindung zu ihren Kindern aufzubauen.

In ihrer künftigen Arbeit wollen sie – das solle aber nach Möglichkeit in allen Bildungseinrichtungen so sein – dass Kinder schon von sehr jung an, Schubladendenken und Vorurteile überwinden lernen und alle als gleich(wertig) akzeptieren, egal welchen Geschlechts, welcher Herkunft und ob sie sich überhaupt als Mädchen oder Bub fühlen, Stichwort Gender X. Kinder sollten früh bestärkt werden, ihren eigenen Weg zu finden – und gehen zu wollen.

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