Frieden schaffen ohne Waffen und wie können wir mehr mitreden?
Von Heinz Wagner
1:50 – allerdings bei mehr als 80 Enthaltungen - ging die Abstimmung unter Jugendlichen aus, als im Linzer O.K. (Offenes Kulturhaus) der Moderator fragte, wer daran glaube, dass Frieden mit Waffen geschaffen werden könne.
„Nie mehr Krieg in Europa! Ist das Friedensprojekt EU in der Krise?!!“ Dazu diskutierten in der Woche der Medienkompetenz fast 400 Jugendliche in Linz und Wien. Die Reihe „Standpunkt“ – eine Kooperation von Bildungsministerium und ORF-Radio (Details weiter unten) – bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, zu aktuellen Themen selbst zu Wort zu kommen. In Linz kam es zögerlich, letztlich aber doch zu rund zwei Dutzend, in Wien gar zu mehr als drei Dutzend Wortmeldungen jugendlicher Diskutant_innen - von Fragen bis zu Stellungnahmen.
Fotos der Linzer Diskussion
Intensive Diskussionen
Obwohl das Thema aufs erste manchen vielleicht gar nicht so prickelnd wirken mag, zeigte insbesondere die Diskussion im Wiener Radiokulturhaus intensives und hohes Diskussionsbedürfnis. Nach den eineinhalb Stunden – länger war der ORF-Sendesaal nicht verfügbar – hätte die Debatte noch lange weitergehen können. Tat sie teilweise auch - in Kleingruppen mit einigen der Podiumsgäste.
Podiumsgäste
Zwei der Podiumsgäste saßen sowohl im Linzer O.K. als auch in Wien auf dem Podium: Andre Wolf (Mitarbeiter bei „Mimikama - Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch") und der Friedensforscher und Politikwissenschafts-Dozent an der Uni Wien Thomas Roithner. In Linz gesellte sich Gerda Falkner, Leiterin des Instituts für europäische Integrationsforschung der Uni Wien und Professorin für Politikwissenschaft an der Fakultät für Sozialwissenschaften, Uni Wien dazu.
In Wien neben den beiden Genannten noch dabei: Ulrike Guérot (Leiterin der Abteilung Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Uni Krems sowie Gründerin des European Democracy Labs in Berlin) und Gottfried Haber (Vizedekan an der Fakultät für Gesundheit und Medizin an der Donau-Universität Krems sowie Leiter der dortigen Abteilung für Wirtschaft und Gesundheit sowie Vizepräsident des österreichischen Fiskalrates).
In Wien wies eine Schülerin darauf hin, dass für ihre Generation Friede in Europa schon so selbstverständlich sei, dass es vielleicht schwierig sei, in dieses Thema hinein zu kommen. Der Bogen der Fragen und Stellungnahmen spannte sich von konkreten Auswirkungen des Brexit über Rechtspopulismus, Meinungsfreiheit bis zu Solidarität oder nicht zwischen den Staaten.
Und – wie die eingangs zitierte Abstimmung – ausgehend von Fakten, die Friedensforscher Roithner einbrachte um die zentrale Themenstellung der Diskussion. Zwar stimmten 122 Staaten in der UNO für ein Atomwaffenverbot, für das sich auch Österreich stark gemacht hatte, aber die Mehrheit der EU-Länder beteiligte sich – nicht zuletzt auf Druck der USA – gar nicht an diesen Verhandlungen. Oder, dass in einem neuen Rüstungsfonds der EU 13 Milliarden Euro landen und der Großteil der beratenden Fachleute dafür selbst aus der Rüstungsindustrie kommt. Oder dass in heiklen Fragen immer mehr auf Militarisierung gesetzt werde, statt schon im Vorfeld zivile Lösungen anzustreben.
Hier meinte eine der Schülerinnen in Wien, sie fühle sich da von der EU hintergangen.
Fotos von der Wiener Standpunkt-Diskussion
Markt, Währung, was fehlt noch: Demokratie!
Einer der Schwerpunkte in der Wiener Diskussion war die insbesondere von Ulrike Guérot angestoßene Debatte um die Weiterentwicklung der Demokratie, der Mitbestimmung, der Partizipation der Bürgerinnen und Bürger. Europäischer Binnenmarkt und gemeinsame Währung müssten endlich um eine gemeinsame Demokratie ergänzt werden, appellierte sie leidenschaftlich und erinnerte an das Wort von Jean Monet, einem der Gründerväter, dass es nicht darum ginge Staaten zu integrieren, sondern Bürger_innen zu vereinigen.
Würde das aber nicht noch mehr Zentralisierung bedeuten. Die Entscheidungen noch weiter von den Bürger_innen entfernen? War der Tenor einiger jugendlicher kritischer Anfragen.
Im Gegenteil, das was Guérot „Europäische Republik“ nennt und für die es am 10. November um 16 Uhr ein dezentrales vieler Initiativen geben wird, die von Balkonen ein Manifest für diese Republik verkünden wollen, sollte mehr Demokratie bringen. Entscheidungen, die derzeit undurchsichtig im europäischen Rat von den Regierungs-Chef_innen getroffen werden, sollten dann in einem gesamteuropäisch gewählten Parlament fallen. Durch die jetzige Konstruktion fallen viele Meinungen und Standpunkte in Ländern, die fast zur Hälfte gespalten sind, unter den Tisch, die dann zählen würden. Einheit in Vielfalt so Guérots These, die allerdings nicht nur auf ungeteilte Zustimmung stieß. So manche der Schüler_innen blieben hier eher skeptisch. Und Podiumsgast Haber sprach sich massiv gegen einheitliche Steuern aus, wie Guérot sie vorschlug.
Leicht Stimme zu erheben
Wo jede und jeder Einzelne allerdings schon jetzt mitreden könne, weil jederzeit, leicht zugänglich und sehr kostengünstig, so Podiumsgast Andre Wolf, ist das Feld der sozialen Medien und Netzwerke. Aber geht da nicht die Stimme der Einzelnen unter?, gab es auch hier skeptische Fragen. Es gäbe „Tricks“, so der Experte und nannte einen: Etwa ein Anfrage an einen Politiker/eine Politikerin auch in cc an Schiedsstellen senden.
Zum Nachhören
In drei Teilen ist die Wiener Diskussion zu hören:
23./24./ 25. Oktober; jeweils 19.30 bis 20 Uhr
http://oe1.orf.at/campus
Und zeitunabhängig – auch die Linzer Diskussion - auf
www.schuelerradio.at