Kiku

Eins-Sein mit der Musik lieber als falscher Star-Ruhm

Eine runde Scheibe – voller Blätter mit Musiknoten. Auf der einen Hälfte ein Kastl mit Plattenspieler und Vinylscheiben, eine kleine Plattform mit großem Verstärker, E-Gitarre und Loop-Station in der anderen Hälfte des großen Kreises. Irgendwo dahinter ein Fuchsfell, darüber schwebt ein kahler, knorriger Ast. So präsentiert sich die Bühne im Linzer Theater des Kindes bei „Orpheus“ (ab 9 Jahren, Regie/Stück/Ausstattung: Henry Mason).Dann kommt er. Orpheus (Spiel und Musik: David Baldessari). Bevor er seine Geschichte erzählt, stellt er sich als totaler Außenseiter vor. „Dein Kopf ist ein Gefängnis, der Schädel sind die Gefängnismauern.“ So richtig ins Leben findet er nur mit Musik. Mit der dafür allerdings total. Da schwebt er auf Wellen, ist eins mit der Welt und dem Universum. Zeit und Raum gibt es nicht. Und irgendwie war das schon immer so. Sein erster Beat war der Herzschlag seiner Mutter. Musiziert er, werden wilde Tiere sanft, der Meere Wellen plätschern sanft und glatt dahin …

Alle Inhalte anzeigen

Frei, poetisch, musikalisch

So manche in seinem Umfeld jazzen ihn zum Star hoch – so tritt er auch mit dunkler Sonnenbrille, dem Fuchs als Mantel und auf voll coooool lässig auf. Aber irgendwie ist er das nicht. Es ist nicht Seins. Statt auf der Welle des Ruhms zu surfen, sucht er lieber seinen authentischen Weg. Und etwas, das er nicht kennt, nach dem er sich aber sehnt. Zwischen Tänzen mit Bäumen taucht das Gesicht eines Mädchens auf. Hin und wieder. Und immer öfter. Schließlich kommt sie aus dem Geäst hervor. Oder ist Eurydike der Baum oder umgekehrt?

Ein wenig frei, vor allem aber poetisch und sehr musikalisch – von klassisch bis rockig – wird die alte griechische Sage erzählt – gespielt, gesungen und musiziert ausschließlich vom schon genannten Solo-Darsteller – sowohl auf der Oberfläche der Welt als auch in der Unterwelt. Die Totengötter geben die an einem Giftschlangenbiss verstorbene Eurydike nur wegen seiner Musik frei. Natürlich dreht er sich – entgegen der Bedingung – beim fast letzten Schritt um, und verliert die Geliebte für (fast) immer.

Alle Inhalte anzeigen

Eins mit der Musik

Weitere Figuren tauchen ausschließlich als stimmliche Einspielungen kurz auf. Baldessari erzählt in der Inszenierung von Mason aber weit mehr als die Sage – das Auf und ab der Gefühle von der Einsam- bis zur Zweisamkeit und deren Verlust. Von der Such nach Anerkennung, nach Liebe und vor allem ehrlichen Gefühlen. Wie es die Verfolgung des Musik-Stars durch seine Fans ganz sicher nicht ist. Die ist für ihn sogar tödlich.

Er findet sein Zuhause immer wieder in der Musik. Und erkennt irgendwann, sich auch vor der Abwesenheit dieser sich nicht fürchten zu müssen. „Stille ist nicht das Gegenteil von Musik, sondern Teil von ihr. Jedes Lied entsteht in der Stille und kehrt wieder in sie zurück.“

4:33

John Cage hatte sogar aus der Stille ein Musikstück gemacht, sein berühmtes 4´33“ – während dieser angegebenen Zeit spielt das Orchester keinen einzigen Ton (Uraufführung: 29. August 1952 in der Maverick Concert Hall bei Woodstock/New York). Das Publikum ist – im Idealfall auf diese Stille konzentriert.

Und obwohl die Inszenierung nie auch nur Anflüge von Action oder rasche Abfolge von Szenen hat, waren Kinder (4. Klasse Volksschule noch dazu nach einem dichten Tages-Programm in der Landeshauptstadt) ganz konzentriert und gespannt die 55 Minuten voll dabei.

Follow@kikuheinz

Compliance-Hinweis: Das Theater des Kindes in Linz zahlt die Bahnfahrt Wien-Linz-Wien.

Alle Inhalte anzeigen

Orpheus
Eine alte Geschichte neu erzählt und gesungen
Uraufführung von Henry Mason
55 Minuten; ab 9 J.

Regie/Stück/Ausstattung: Henry Mason

Orpheus: David Baldessari

Einspielungen:
Eurydike: Daniela Dett
Kalliope: Simone Neumayr
Apoll: Matthias Hacker
Die Musen: Katharina Schraml
Kapitän der Agronauten: Harald Bodingbauer
Charon der Fährmann: Andreas Baumgartner
Totengötter: Henry Mason
Diverse andere Figuren: Ensemble Theater des Kindes

Musik: David Baldessari

Regieassistentin: Greta Victoria Christl
Licht: Franz Flieger Stögner
Vorstellungstechnik: Stögner/Jungmaier/Tödtmann/Huber

Wann & wo?
Diese und die nächste Spielsaison
Theater des Kindes: 4020 Linz, Langgasse 13
Telefon: 0732/60 52 55 oder
Theater des Kindes -> Orpheus

Events.at -> Orpheus